Von Adel, Industrie und Bildung

Wilhelmstraße 26

Das Gebäude Wilhelmstraße 26 liegt zentral im Straßendreieck der Kreuzung von Moltke-, Wilhelm- und Belfortstraße und wurde 1873 errichtet. Bauherr war Otto Freiherr von Dungern (1831-1911).

Das freistehende Haus in erhöhter Lage liegt auf einem Inselgrundstück. Sein Eingang befand sich zuerst an der nordöstlichen Seite, der Altstadt und den Bürgerhäusern zugewandt. Die noch kaum bebaute und von Industrie geprägte Umgebung im Süden lag damit im Rücken des Gebäudes. Seitdem wurde das Haus mehr fach an- und umgebaut. Vom ursprünglichen Zustand zeugt nur noch die westliche Fassade. Die Erweiterung im Süden wurde 1936 fertig gestellt, der Anbau im Osten mit überdachten Parkplätzen er folgte Ende der 1960er Jahre. Auch im Innern hat sich das Gebäude grundlegend gewandelt. Doch sein Garten und seine exponierte Lage zeugen noch heute vom einst herrschaftliche Ursprung.

Aktuelles Foto des Hauses Wilhelmstraße 26.
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Städtischer Adelssitz

Der Vater Otto von Dungerns, Emil (August Victor Freiherr) von Dungern (1802-1862), war Staatsminister im Herzogtum Nassau und lebte in dessen Hauptstadt Wiesbaden. 1829 heiratete er Charlotte (Friederike Freiin Marschall) von Bieberstein (1810–1832) und nach deren frühem Tod ihre Schwester Dorothea (Natalie Marschall) von Bieberstein (1808-1888). Das alte Adelsgeschlecht der Biebersteins war zur Mitte des 19. Jahrhunderts nach Südbaden gekommen. Das Schloss in March-Neuershausen ist noch heute im Besitz der Familie.

Die enge Verbindung mit dem Hause Bieberstein brachte die Famile Dungern nach Freiburg. 1873 liessen sich mehrere Angehörige Emil von Dungerns in Freiburg nieder. Sie lebten zunächst zur Miete in der Bahnhofstraße 2 (Sohn Hermann), Luisenstraße 3 (Sohn Otto) und Dreisamstraße 7 (Witwe Dorothea). 1874 verlagerte Otto seinen Wohnsitz in die Wilhelmstraße 26. Seine Stiefmutter Dorothea folgte ihm 1878 in die nahe Moltkestraße 42.

Otto und seine Frau Olga (Baronesse von Grotthuß) lebten dort bis zu seinem Tod im Jahr 1911. Vermutlich in dieser Zeit wurde auch die prächtige Hängebuche am Südende des Gartens gepflanzt. Nach Olgas Wegzug bekam das Gebäude eine öffentliche Nutzung.

Industrie und Handel

Zunächst zog eine höhere private Mädchenschule in die Wilhelmstraße 26. Ab 1923 firmierten dann veschiedene Arbeitgeberverbände unter der repräsentativen Adresse. Mitte der 1920er Jahre erwarb die Industrie- und Handelskammer Freiburg das Anwesen. Ihren ersten Sitz im Wentzingerhaus am Münsterplatz verließ sie 1925. Nach einer kurzen Station am Werderring zog sie 1927 selbst in die Wilhelmstraße 26.

Zu dieser Zeit litt die Wirtschaft in Deutschland unter Rezession und den folgen der Inflation, in deren Verlauf auch die Badischen Kammern eigenes Notgeld in Umlauf brachten. In der Nazizeit wuchsen die Tätigkeiten, auch weil die Wirtschaft auf Unabhängigkeit vom Ausland ausgerichtet wurde. Hinzu kamen Angliederungen anderer Kammerbezirke. Der Freiburger Standort wurde zum größten des Landes Baden und erweiterte deshalb sein Gebäude.

Bald verloren die Industrie- und Handelskammern ihren Charakter als Selbstverwaltungsorgane der Wirtschaft und wurden dem Reichswirtschaftsministerium unterstellt. Trotz anfänglicher Widerstände wurde so auch die Freiburger Kammer Teil der NS-Wirtschaftspolitik, die auf Krieg und die Zerstörung jüdischer Unternehmen ausgerichtet war.

Zwischen 1945 und 1949 wurde das Gebäude vom Badischen Wirtschaftsministerium genutzt. Der Fahnenmast, der noch heute in der Wilhelmstraße steht, stammt vermutlich aus dieser Zeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg bekamen die Industrie- und Handelskammern ihren Status als unabhängige Wirtschaftsorgane zurück. Als Körperschaften des öffentlichen Rechts umfassen sie seitdem alle im Handelsregister geführten Unternehmen ihrer Region. Nach der Fusion mit der Lahrer Kammer entstand 1986 die IHK Südlicher Oberrhein. Sie verließ Anfang der 1990er Jahre die Wilhelmstraße und hat seitdem ihren Sitz in der Schnewlinstraße 11-13.

Räume für die wachsende Universität

Nach dem Auszug der IHK zog die Universität ein, die sich seit den 1960er Jahren stark vergrößert hatte. Alleine zwischen 1961 und 1980 verdoppelten sich die Studierendenzahlen auf 20.000. Vom Campus und seinen Kollegiengebäuden war eine Expansion ins Sedanquartier eine nahe gelegene Lösung, um den steigenden Raumbedarf zu decken. Die Gremien der Universität waren der Meinung, dass neue Räumlichkeiten nicht geballt, sondern dezentral verteilt geschaffen werden sollten. Dozent*innen und Studierende können so gleichermaßen von kleineren Standorten der Wissensvermittlung profitieren. Das Gebäude Wilhelmstraße 26 wurde Teil der Rechtswissenschaftlichen Fakultät und beherbergt heute neben Seminarräumen Abteilungen des Instituts für Strafrecht und Strafprozessrecht.