„Strafausübung stellt […] eine Ausübung von Macht dar, welche reziprok das System sozialer Handlungen erzeugt.“1
Bianca Hummel
 „BigMac, bann‘ den weg“
Das Verhältnis von Strafe und Macht im Twitch-Chat
Dass uns Strafe und damit einhergehende Regelwerke überall im Alltag begegnen, selbst im anonymen Raum des Internets, wurde mir vor allem dann bewusst, als ich mir die Netiquette-Regeln von Twitch-Kanälen angesehen habe. Auf der Livestreaming-Plattform bestimmen die Besitzer*innen des jeweiligen Kanals ihre Chatregeln selbst. Nur die Nutzungsbedingungen von Twitch stehen über diesen Chat-Richtlinien. Die Netiquette eines Chats kann beispielsweise ganze Themenkomplexe wie Politik verbieten oder darauf hinweisen, dass die Gestaltung des Streams, zum Beispiel in Form von der Lautstärke der Hintergrundmusik, nicht kritisiert werden soll.
Um sicherzustellen, dass sich jede Person an die Chatregeln hält, wählen die Kanalbesitzer*innen Moderator*innen aus, die plakativ ein Schwert-Icon vor ihrem Namen tragen. Diese sogenannten Mods stellen also die strafausführende Instanz dar, deren Sicht ich in meinem Artikel genauer untersuche. Nachdem die verschiedenen Strafpraktiken, wie beispielsweise das Löschen einer Nachricht oder der Bann einer Person aus dem Chat skizziert werden, habe ich den sozialen und hierarchischen Stellenwert eines Mods im Chatraum erforscht. Dabei interessierte mich, wie einer strafausführenden Person begegnet wird, welche Rolle Macht dabei spielt und wie sich mögliche Hierarchien darstellen. Um diesem Forschungsinteresse nachzugehen, führte ich ein leitfadengestütztes narratives Interview mit einem Moderator eines Twitch-Kanals. Hierbei haben sich mir neue Sichtweisen erschlossen, die mein Verständnis von Strafe in ein anderes Licht rückten.
1 Hummel, Bianca: „BigMac, bann‘ den weg“: Das Verhältnis von Strafe und Macht im Twitch-Chat. In: Sieferle, Barbara (Hg.): Strafen. Kulturanthropologische Perspektiven (= Freiburger Studien zur Kulturanthropologie, 5). Münster 2021, S.94-104, S.98.