Die Biogasanlage auf dem Baumert Hof erzeugt Strom für 750 Haushalte und Wärme für die umliegenden 16 Wohnhäuser. Doch woraus genau wird diese Energie erzeugt und welche Herausforderungen gibt es für die Landwirt:innen in Renchen?

Regionale Energie

Biogasanlagen können mit vielen Formen von Biomasse gefüttert werden. In der Biogasanlage auf dem Baumert-Hof wird u.a. Traubentrester verwertet (siehe Foto: die kleinen Kerne und Fruchtreste). Die braune Masse entsteht beim Auspressen von Weintrauben als Nebenprodukt. Seitdem die Kirschessigfliege sich ausgebreitet hat, kann der Trester nicht mehr direkt bei den Reben als Dünger ausgebracht werden.

Die Genossenschaft regionaler Winzer:innen sammelt nun stattdessen den Trester, der dann auf dem Baumert Hof in der Biogasanlage energetisch genutzt wird. Übrig bleibt Gärsubstrat, das wiederum als Mulch in den Reben ausgebracht werden kann – diese mehrfache Nutzung der Biomasse wird als Kaskadennutzung bezeichnet. Der Schädlingsdruck auf die Reben wird geringer, da der Trester nicht dort kompostiert und das Gärsubstrat düngt den Boden. Trester steht auf der Positivliste, auf der pflanzliche Nebenprodukte aufgeführt werden, für die eine Förderung nach EEG-Richtlinie möglich ist. 

Auch eine Wildpflanzenmischung dient als Nahrung für die Biogasanlage. Während Grünland bis zu vier Schnitte pro Jahr bekommt, werden die Wildblumenstreifen nur einmal im Jahr gemäht und bieten so Kleintieren und Insekten einen Rückzugsraum neben intensiver genutzten Flächen. Die Schaffung von Biodiversität und der Einsatz von Wildblumen bedeuten aber auch deutlich weniger Energieleistung im Verhältnis zu Mais auf gleicher Fläche. In diesem Fall fördert eine private Stiftung die Wildblumenmischung und gleicht so den geringeren Ertrag aus. Veronika Larranaga-Schneider vom Baumert Hof begrüßt die Förderung als Unterstützung des Hofkonzepts: Es könne nicht sein, dass alles aus den Böden herausgeholt werde. Damit dies umsetzbar sei, müsse aber auch die Politik für Ausgleich sorgen und nicht nur private Stiftungen. Anders sieht es bei bereits verarbeiteten Rohstoffen aus – wie etwa altem Obst oder Gemüse aus dem Handel. Dieses muss anders erfasst werden und verringert die Förderung für die Biogasanlage trotz regionaler Herkunft der Rohstoffe und aktueller Energieknappheit.

Kritik an der ‚Monokultur Mais‘

Die Debatte um Biogasanlagen wird in der Öffentlichkeit kontrovers geführt. Kritiker:innen verweisen auf die Nutzung von zu diesem Zweck angebauten Lebensmitteln; besonders der Anbau von Mais als Monokultur wird häufig thematisiert. Die Bundesregierung verweist in ihrer Bioökonomiestrategie darauf, dass weniger als 10% der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland für den ‚Rohstoffhunger‘ von Biogasanlagen genutzt werden und sieht Biogasanlagen als wichtigen Baustein der nachhaltigen Energieerzeugung.1

Als Akteurin in der Landwirtschaft kennt Veronika Larranaga-Schneider die Vorbehalte gegenüber Mais. Der Mais auf dem Baumerthof wird als Futtermittel und auch als Substrat für die Biogasanlage angebaut. Die reine Nutzung von Mais wäre für den Arbeitsablauf rentabler: Die Energiedichte ist hoch, die Verarbeitung einfach, der Verschleiß am Rührwerk gering. Zusätzlich müssen sich die Bakterien bei jedem Substratwechsel anpassen. Auf Schildern vor dem Hof sind die angebauten und genutzten Mengen aufgelistet – ein Versuch, Einblick in die Methoden des Hofs zu geben. Tatsächlich macht der Anteil von Gülle und Mist den Großteil der Biomasse in der Anlage aus.Veronika Larranaga-Schneider beschreibt, wie sie damit einerseits die Arbeitsweisen auf dem Hof transparenter und nachvollziehbar macht; aber eben auch, welche Schritte bereits gegangen wurden, um Kreisläufe zu schaffen.

Mehr Energieerzeugung!

Die Akteur:innen in der Landwirtschaft und ihre Praxen sind Projektionsflächen für verschiedene Vorstellungen der Energiewende. Auf dem Baumert Hof wird deutlich, dass es nicht die eine Landwirtschaft, sondern viele einzelne Betriebe gibt. Die Energieversorgung in Richtung Resilienz und Nachhaltigkeit zu lenken, sollte im Interesse von Gesellschaft und Regierung liegen. Damit Landwirt:innen ihrerseits aber Interesse an diesen Transformationsprozessen entwickeln können, müssen auch ihre Bedürfnisse öffentliche Beachtung finden. Wirtschaftliche Nachteile durch schonendere Bewirtschaftung sollten ausgeglichen und Erkenntnisse aus der Arbeitspraxis der Akteur:innen aufgegriffen werden. Wenn Betriebe wie der Baumert Hof durch eine Umnutzung von Nebenprodukten wie dem Traubentrester Kreisläufe schließen, Schädlingsprobleme lösen und Mehrfachnutzungen von Biomasse forcieren, ist eine Förderung angemessen. Zusätzlich müssen die Bestimmungen für Förderungen sich mehr an der Schließung von Kreisläufen orientieren. Jedes Pfund Biomasse in der Anlage bedeutet Energie, die nicht durch fossile Brennstoffe erzeugt wurde. So könnte mehr drin sein, mehr genutzte Biomasse, mehr Partizipation und mehr Nachhaltigkeit.

1 Vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: Biogas [23.08.2022]. Online verfügbar unter: https://www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/bioeokonomie-nachwachsende-rohstoffe/biogas.html (Stand 12.04.2023).

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Traubentrester, Schnittgut, Kuhmist – Abfallprodukte, die in der Biogasanlage ein zweites Leben finden. Bioökonomische Praktiken setzen auf innovativebiobasierte Rohstoffe in Form von Reststoffen oder alternativen Pflanzen wie Soja und Silphie. Deren Ressourcencharakter muss von den Landwirt:innen allerdings erst in einem Prozess der Wertzuschreibung erkannt und anschließend realisiert werden. Dafür sind – auch das zeigen unsere Forschungen – (neu geschaffene) Infrastrukturen sowohl auf dem jeweiligen Hof als auch in Kooperation mit anderen Beitrieben notwendig.

Die Implementierung neuer Technologien in den Betriebsablauf ist in der Regel mit hohen Investitionssummen verbunden. Landwirtschaftliche Betriebe sind deswegen häufig auf finanzielle Förderungen seitens der Politik angewiesen. Was gefördert wird, ist dabei immer auch abhängig davon, was politisch zu der jeweiligen Zeit förderungswert erscheint. Bioökonomische Vorhaben werden gegenwärtig von Regierungen auf unterschiedlichen Ebenen forciert – zumindest in dem politisch festgelegten Rahmen. Dass es hier zu Leerstellen und Reibungszonen mit dem landwirtschaftlichen Alltag kommen kann, zeigt sich in herausfordernden bürokratischen Verfahren und fehlenden Plattformen zur Förderung eigener ökologischer Vorhaben, wie zum Beispiel der hofeigenen Wildblumenwiese.

Baumert Hof

Der Baumert Hof ist einer von tausenden Höfen in Baden-Württemberg. Als Aussiedlerhof in den 1950er Jahren gegründet, hat sich die Art der Bewirtschaftung seitdem stark verändert. Noch heute gibt es Ackerbau und Nutztierhaltung auf dem Hof – doch die Methoden haben sich stark verändert. Wo früher noch händisches Melken notwendig war, übernimmt diese Aufgabe nun ein Melkroboter. Ein Teil der Milch wird noch vor Ort zu Speiseeis verarbeitet und dann verkauft. Auch die Ackerflächen dienen nicht mehr allein dem Anbau von Futtermitteln für Nutztiere, sondern auch der Produktion von Biomasse für die hofeigene Biogasanlage. Ein Großteil der genutzten Biomasse wird aber nicht extra dafür angebaut.

So fällt Gülle als Nebenprodukt der Milchviehhaltung an. Neben dem Ausbringen der Gülle als Dünger wird sie in der Biogasanlage energetisch genutzt.

Das Team um Veronika Larranaga-Schneider, Karl-Philipp Baumert und Raphael Baumert betreibt den Hof mit einer klaren Orientierung auf eine Landwirtschaft, die auch in Zukunft noch bestehen kann. Diese Ausrichtung zeigt sich nicht nur in den genutzten nachhaltigen Methoden, sondern auch etwa durch den Versuch den Kund:innen, Abläufe transparent und nachvollziehbar darzustellen. Sei es durch die installierten Infotafeln vor dem Hof oder die Einladung den Hof zu besuchen.