Wie werden künftige Spaziergänge im Wald aussehen? – Wir treffen unseren Interviewpartner Philipp Ruf in seinem Waldstück zu einem gemeinsamen Spaziergang. Dabei zeigt er uns gefällte Baumstämme mit Schäden des Borkenkäfers, die Hürden der Gegenwart und Zukunft wiederspiegeln. Wie werden die Wälder der Zukunft aussehen? Welche Bäume stehen noch? Wie hat sich das Bild des Waldes verändert? Welche Maßnahmen werden ergriffen worden sein, um das Gegebene zu schützen und die wichtige Rolle der Wälder zu bewahren? 

Wälder sorgen für die Senkung von CO₂ und helfen bei der Klimaregulierung und -anpassung. Doch wie werden diese Funktionen gewährleistet, wenn die Wälder im Schwarzwald und in ganz Deutschland gefährdet sind? Biodiversität ist eine Schutzmaßnahme, die auch der Waldbesitzer Philipp Ruf in Sankt Peter für seinen Wald umsetzt.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) veröffentlicht seit 2007 jedes Jahr die Ergebnisse der Waldzustandserhebung.1 Hierbei wird der Kronenzustand deutscher Wälder in Stichprobenerhebungen bewertet. Diese Maßnahmen werden ergriffen, um Veränderungen und Risiken frühzeitig zu erkennen und um wichtige forst- und umweltpolitische Entscheidungen zum Schutz des Waldes zu treffen. Allgemein ist bekannt, dass verschiedene Faktoren auf den Waldzustand einwirken. Hierzu gehören nicht nur Baumalter und Standortfaktoren; auch die frühere und gegenwärtige Bewirtschaftung spielt eine Rolle. Heutzutage sind Klimaänderungen und die steigende Zahl der sekundären biotischen Schäden durch Insekten und Pilze ein zusätzliches Risiko, das unsere Wälder immer mehr belastet. Auch den Ergebnissen der Waldzustandserhebungen ist deutlich zu entnehmen, dass die Absterberate aller Baumarten in den letzten Jahren rasant gestiegen ist.2

War denn früher wirklich alles besser?

Wer nun davon ausgeht, dass dies ein Phänomen der jüngsten Gegenwart ist, der irrt. Denn schon der Zustandsbericht zum Waldsterben von Kurt Russmann aus dem Jahr 1985 dokumentiert, wie kritisch die Umstände vor fast 40 Jahren waren und setzt das in Bezug zu noch weiter zurückreichenden Beobachtungen:

„Das Tannensterben wurde zum erstenmal 1856 registriert und niedergeschrieben. Es trat besonders nach heißen und trockenen Sommern auf und wiederholte sich in Abständen von 15 bis 30 Jahren. Die kränkelnden Wälder erholten sich zum größten Teil wieder. Beim heutigen Waldsterben gibt es keine Erholungsphasen mehr, es sind nahezu alle Baumarten betroffen und die Schäden treten überall und nicht nur lokal auf.“[3]

Wie im Zitat deutlich, waren die Folgen der Dürreperioden auf den Wald schon in den 1980er Jahren sichtbar, wenn nahezu alle Baumarten betroffen waren und die Erholungsphasen ausblieben.

Auch Philipp Ruf, der Landwirt, mit dem wir im Rahmen unseres Projektseminars Bioökonomie ins Bild rücken in Kontakt treten durften, erzählt uns von den verheerenden Folgen heißer und trockener Sommer, die er in seinem Wald beobachten kann. Er produziert in seinem 45 Hektar großen Wald, der schon seit Generationen im Besitz seiner Familie ist, Holzhackschnitzel zum Heizen für ein regionales Hotel in Sankt Peter. Das Waldsterben und die Folgen des Klimawandels beschäftigen ihn zunehmend in seiner Tätigkeit als Waldbesitzer, der auch für die Pflege und Erhaltung seines Waldes in Eigenverantwortung zuständig ist:

„Letztes Jahr – also den Klimawandel spüre ich – ab und zu mache ich mir Gedanken ja, irgendwann sterben halt alle Fichten, dann sieht es aus wie zwischen Frankfurt und Dortmund, da ist alles rot. Das was nicht rot ist, ist weg, aber ich kann es nicht ändern. Deshalb schaue ich halt, dass ich den Wald mische. Aber ich alleine kann es nicht ändern.“[4]

Durch die Aussage des Waldbesitzers wird deutlich, dass niemand vor den Folgen des Klimawandels die Augen verschließen darf. Das Waldsterben ist zu einer Grundsatzfrage in Bezug auf den Umgang mit den natürlichen Ressourcen und unseren Lebensgrundlagen avanciert. Wie schon im Zitat vorgeschlagen, ist eine der Lösungsansätze eine bessere Durchmischung unserer heimischen Wälder. Verschiedene Baumarten benötigen unterschiedlich viel Lichteinfall und Bodentiefe. Der Landwirt Philipp Ruf setzt sich täglich mit diesen Themen auseinander und versucht mit dem Prinzip der Nachhaltigkeit seinen Wald für zukünftige Generationen erhaltenswert zu gestalten. Biodiversität steht hier stellvertretend für den wichtigsten Faktor mit dem er arbeitet. Durch verschiedene Interventionen versucht er, die Vielfalt der Bäume in seinem Wald zu erhalten und zu durchmischen. Er weiß, wie wichtig es ist, keine Monokultur anzubauen, da hierdurch die Anfälligkeit für sekundäre biotische Schäden wie Insekten und Pilze steigt.

Wettlauf gegen die Zeit

Besonders die aufkommenden Insekten in dem Bereich der sekundären biotischen Schäden sind für Philipp Ruf ein Problem. Der Borkenkäfer beispielsweise, der auch in den Wäldern des Schwarzwaldes ansässig ist, wird für viele Waldbesitzer:innen zur Belastungsprobe. Die Trockenheit in den Wäldern Deutschlands führt zu einer Massenvermehrung von Borkenkäfern, da die geschwächten Bäume für ideale Bedingungen sorgen. Der Borkenkäfer gräbt sich durch die Rinde und legt dort seine Larven ab. Bei diesem Vorgang wird die Bastschicht des Baumes beschädigt und unterbricht bei starkem Befall den Nährstofftransport.Denn in der Rinde verlaufen die Transportkanäle der Bäume, um das Wasser aus dem Waldboden zu ziehen. 

„Der Borkenkäfer legt die Eier [in der Rinde der Borke]. Er braucht 12 Grad bis er aktiv wird. Ab 12 Grad wird er aktiv, und wenn es halt im Februar schon 25 Grad hat bis November, dann schafft er [es], fünfmal Eier zu legen, überverhältnismäßig viel. Normalerweise zweimal, und wenn es ganz gut läuft im Herbst, dreimal.“[6]

Durch die länger anhaltenden Dürreperioden steigt das Wachstum der Käfer exponentiell. Es handelt sich regelrecht um eine Borkenkäfermassenvermehrung. Welche gravierenden Folgen dieser Befall hat, lässt sich unschwer auf dem Foto erkennen. Durch die steigenden Temperaturen, die auch nachts kaum absinken, wird es immer schwerer, den natürlichen Abläufen im Wald nicht zur Hand zu gehen. Es müssen mehr Fällungen vorgenommen werden, um die beschädigten Bäume so schnell wie möglich aus dem Ökosystem zu entfernen, damit nicht mehr Bäume befallen werden. 

Trotz der Schäden und den belastenden Aufgaben sieht Philipp Ruf, dem Konzept der Nachhaltigkeit verpflichtet, in der Achtung und Erhaltung der Biodiversität einen Lösungsvorschlag. Was also werden Sie beim nächsten Spaziergang durch die Wälder Ihrer Umgebung feststellen und beobachten? 

 

1 Vgl. Bundesamt für Ernährung und Landwirtschaft: Ergebnisse der Waldzustandserhebung 2022 [21.03.2023]. Online verfügbar unter: https://www.bmel.de/DE/themen/wald/wald-in-deutschland/waldzustandserhebung.html (Stand 15.02.2023).
2 Vgl. Thünen-Institut für Waldökosysteme: Ergebnisse der bundesweiten Waldzustandserhebung [2023]. Online verfügbar unter: https://wo-apps.thuenen.de/apps/wze/ (Stand 01.02.2023).
3 Vgl. Russmann, Kurt: Waldsterben – Ursachen, Wirkungen und Maßnahmen. In: Waldsterben – Zustandsbericht [1985]. Online verfügbar unter: https://www.zobodat.at/pdf/OEKO_1985_1_0003-0017.pdf (Stand 01.02.2023).
4 Interview mit Philipp Ruf vom 05.11.2022. 
5 Vgl. o.V.: Borkenkäfer und Co. Online verfügbar unter: https://www.forstwirtschaft-in-deutschland.de/wald-im-klimastress/klimawandel/borkenkaefer/ (Stand 15.02.2023).
6 Interview mit Philipp Ruf vom 05.11.2022. 

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Was passiert im landwirtschaftlichen Alltag, wenn nicht mehr primär das Ökonomische, sondern auch das Ökologische zum Bezugspunkt der Praktiken wird? Oder ist die Auseinandersetzung mit ‚Natur‘ – etwa Pflanzen und Tieren – der Landwirtschaft sowieso inhärent? Landwirt:innen stehen in einem relationalen Verhältnis zu der sie umgebenden Umwelt: Das Sorgetragen für neu wachsende Fichten und Tannen sichert den eigenen wirtschaftlichen Ertrag, die stofflich nicht direkt verwertbare Haselnussplantage stabilisiert die Biodiversität und gibt Nährstoffe an den bewirtschafteten Ackerboden zurück. Die Vorstellung einer vermeintlichen Trennung von Mensch und Umwelt, von Kultur und Natur scheint hier aufgehoben.

Landwirtschaft bedeutet auch, zu planen und mit der Zukunft umzugehen. Vor dem Kontext anhaltender Trockenzeiten, Lieferengpässen und steigender Preise kann die Zukunft jedoch angstbesetzt sein und von den Akteur:innen als unsicher wahrgenommen werden. Interventionen in der Gegenwart sollen dem entgegenwirken und das Kommende kontrollierbarer machen – als ein solcher Steuerungsversuch lassen sich auch bioökonomische Bestrebungen kategorisieren. 

Hof von Philipp Ruf

Philipp Ruf, 37, lebt mit seiner Frau und seinen drei jungen Kindern auf einem Bauernhof in Sankt Peter, seinem Heimatdorf im Schwarzwald. Über der Eingangstür des Hofs hängt das Wappen der Familie mit dem Aufbaudatum 1740 – ein Hinweis auf die vielen Generationen zuvor. Sein Vater hat ihn früh an die kommende Übernahme des Besitzes eingeführt, aber von der Milchindustrie hat Philipp sich Anfang der 2000er verabschiedet und nutzt den Stall nun als Stauraum für sein Auto und das Spielzeug seiner Kinder. 

Er ist im Gegensatz zu seinen Eltern kein hauptberuflicher Landwirt, sondern arbeitet vier Tage pro Woche als Maler und Stuckateur. Daneben kümmert er sich um die Pflege seiner 45 Hektar Wald und die Produktion von Wertholz (hauptsächlich für die Herstellung von Möbeln), Brennholz und Hackschnitzel.