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Für Philipp Ruf, der sich nebenberuflich mit der Holzvermarktung eines ca. 45 Hektar großen Waldstückes in St. Peter beschäftigt, muss die Politik ehrlicher werden. Er ist erstaunt und fragt sich, wie politische Entscheidungsträger:innen mit den Nullen einer Milliarde umgehen, wenn sie Rettungsschirme beispielsweise für die Landwirtschaft aufmachen. Er glaubt, dass Verantwortliche mit den Landwirt:innen ins Gespräch kommen und nicht von ihren Schreibtischen aus delegieren sollen. 

Wie funktioniert eigentlich Realpolitik in der Landwirtschaft?

Aktuell sticht Bioökonomie als eine zukunftsorientierte Wirtschaftsstrategie heraus, die durch den Einsatz nachwachsender Rohstoffe eine marktwirtschaftliche Wertschöpfungskette ermöglichen soll.

Strategien wie diese, die im Bereich der Politik, Forschung und Wirtschaft entwickelt werden, haben das Ziel, im gesellschaftlichen Alltag der Menschen umgesetzt zu werden. 

Während unseres Gesprächs mit Philipp Ruf beschreiben wir dem Landwirt als Studierende der Kulturanthropologie unter anderem die Gegenstandsbereiche sowie die Methoden unseres Faches: Policies als ein Feld der Kulturanthropologie nehmen die Komplexität politischer Entscheidungsprozesse in den Blick. Es werden Fragen nach der vielfältigen Formierung eines politischen Feldes, der Raumordnung, der Ressourcenverteilung sowie der Produktion von Deutungen gestellt.1 Übertragen auf unser Feld bedeutet dies, danach zu fragen, wie ein Zugang zu dem anspruchsvollen Arbeitsleben der Landwirt:innen hergestellt werden kann, um ihre Perspektiven über Schwierigkeiten und eigene Bedürfnisse mehr in den Fokus von Realpolitik zu setzen.

Anspruch auf Autarkie auf dem Hof?

Auf dem Foto zu Beginn des Beitrages ist ein Anhänger mit gespaltenem Holz zu sehen. Philipp Ruf lagert darin das Brennholz, welches er in der Region St. Peter verkauft. Außerdem produziert er Wertholz, hauptsächlich für die Möbelproduktion. Wirtschaftlich ist Philipp Ruf demnach von einem intakten und gesunden Wald abhängig. 

Um Biodiversität zu ermöglichen, strebt der Landwirt an, sein Waldstück so gut es geht langfristig zu durchmischen. Diese Strategie empfindet er in seiner Arbeit als nachhaltig, ohne dass er sie als bioökonomisch kategorisiert oder an irgendwelche politischen Agenden knüpft. Er berichtet, dass er wegen des Klimawandels keine andere Möglichkeit hat, als auf Biodiversität zu achten: Der Wald würde ansonsten sterben. 

Insgesamt erkennt Philipp Ruf jedoch eine Diskrepanz zwischen den gesellschaftspolitischen Erwartungen an eine nachhaltige Landwirtschaft und den realistischen Umsetzungsmöglichkeiten. Ohne die notwendigen finanziellen Möglichkeiten kann eine alternative Bewirtschaftung der Natur nur begrenzt stattfinden. 

1 Vgl. Jens Adam; Asta Vonderau: Formationen des Politischen. Überlegungen zu einer Anthropologie politischer Felder. In: dies. (Hg.): Formationen des Politischen. Anthropologie politischer Felder. Bielefeld 2014, S. 7–32.

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Die Implementierung neuer Technologien in den Betriebsablauf ist in der Regel mit hohen Investitionssummen verbunden. Landwirtschaftliche Betriebe sind deswegen häufig auf finanzielle Förderungen seitens der Politik angewiesen. Was gefördert wird, ist dabei immer auch abhängig davon, was politisch zu der jeweiligen Zeit förderungswert erscheint. Bioökonomische Vorhaben werden gegenwärtig von Regierungen auf unterschiedlichen Ebenen forciert – zumindest in dem politisch festgelegten Rahmen. Dass es hier zu Leerstellen und Reibungszonen mit dem landwirtschaftlichen Alltag kommen kann, zeigt sich in herausfordernden bürokratischen Verfahren und fehlenden Plattformen zur Förderung eigener ökologischer Vorhaben, wie zum Beispiel der hofeigenen Wildblumenwiese.

Hof von Philipp Ruf

Philipp Ruf, 37, lebt mit seiner Frau und seinen drei jungen Kindern auf einem Bauernhof in Sankt Peter, seinem Heimatdorf im Schwarzwald. Über der Eingangstür des Hofs hängt das Wappen der Familie mit dem Aufbaudatum 1740 – ein Hinweis auf die vielen Generationen zuvor. Sein Vater hat ihn früh an die kommende Übernahme des Besitzes eingeführt, aber von der Milchindustrie hat Philipp sich Anfang der 2000er verabschiedet und nutzt den Stall nun als Stauraum für sein Auto und das Spielzeug seiner Kinder. 

Er ist im Gegensatz zu seinen Eltern kein hauptberuflicher Landwirt, sondern arbeitet vier Tage pro Woche als Maler und Stuckateur. Daneben kümmert er sich um die Pflege seiner 45 Hektar Wald und die Produktion von Wertholz (hauptsächlich für die Herstellung von Möbeln), Brennholz und Hackschnitzel.