In vielen Bereichen der Landwirtschaft spielt Regionalität eine zentrale Rolle. Gerade für kleinere landwirtschaftliche Betriebe ist der Austausch und das Zusammenarbeiten mit anderen Höfen in der Umgebung wichtig. Regionalität entsteht durch das Zusammenspiel verschiedener Akteur:innen in der Praxis.

In unserem Gespräch mit dem Landwirt Moritz Breitenfellner wird genau dieser Aspekt immer wieder angesprochen und hervorgehoben. Er sagt, er fühle sich nicht nur mit anderen Landwirt:innen in seiner näheren Umgebung verbunden, sondern auch mit anderen Akteur:innen, die für seine Arbeit wichtig sind. Moritz Breitenfellner ist Agrarfachwirt und leitet zusammen mit seinem Vater und seinem Bruder ein landwirtschaftliches Lohnunternehmen und einen landwirtschaftlichen Betrieb bei Kandern im Schwarzwald. Neben dem Mais- und Weizenanbau sichert die Entwicklung eigener Düngemittel ihr Einkommen. Dafür beziehen sie unter anderem aus den Biogasanlagen der Umgebung das vergärte Restprodukt, das abgepresste Biogassubstrat, und verarbeiten dieses mit ihren eigenen Abfallprodukten zu Dünger. Das Foto zeigt das Biogassubstrat in diesem Zwischenstadium nach der energetischen Inwertsetzung in der Biogasanlage und vor der stofflichen Weiterverwertung als Dünger auf dem Feld. Es erscheint als homogene, schwarze Masse, in der man erst beim genaueren Hinsehen Trauben- und Kürbiskerne erkennt, die auf die Ausgangsmaterialien und damit auch auf die regionalen Vernetzungen hin zu anderen landwirtschaftlichen Betrieben verweisen. 

Zu dieser Vorgehensweise ist Moritz Breitenfellner vor einigen Jahren gekommen, da er nicht weiter mit Mineraldünger, der unter enormem Energieaufwand und mit Erdöl produziert wird, düngen wollte. Für ihn ist es sinnvoller mit den Rohstoffen, die  in der Umgebung selbst vorhanden sind, zu arbeiten und diese in der Region wieder zu verteilen. Im Herbst werden unter anderem die alten Kürbisse aus dem Europapark verwendet, die für das Halloweenspektakel nicht mehr gut genug sind. Die Kürbisse werden im Freizeitpark täglich ausgemistet und ersetzt und mit LKWs zum Hof transportiert: 

„Da kommt dann jeden Tag ein LKW und das wird dann quasi nochmal verwertet. Anstatt, dass man das nur noch auf den Acker schmeißt, wird es verwertet zu Erdgas und wenn es dann vergoren ist, bleiben Reststoffe übrig. Das ist eigentlich flüssig und wurde abgepresst, damit es einfach besser zum Transportieren ist.“[1]

Die Kulturanthropologie nimmt Raum auf verschiedene Weise analytisch in den Blick – vor allem als etwas, das durch die Deutungen und Praxen der Akteur:innen hergestellt wird. Verschiedene Räume können kognitive Karten oder sogenannte mental maps abbilden. Diese imaginierten Räume schaffen sowohl ein Gefühl von Zugehörigkeit als auch eine kollektive lokale Identität. Sie sind also Ausdruck von Vorstellungen, Identität und Grenzen, die ständig neu erschaffen werden.2 Wenn Moritz Breitenfellner in unserem Gespräch angibt, dass die Beschaffung und Verteilung des Biogassubstrats und des Düngers regional vonstattengeht, ist diese Eingrenzung für Außenstehende im ersten Moment nicht zu durchdringen beziehungsweise klar zu markieren. Erst indem er erläutert, welche konkreten Vernetzungen seinen Arbeitsalltag prägen und entlang welcher Infrastrukturen Stoffe, Dünger und Biogassubstrat auf welche Weise zirkulieren, erhalten wir ein Bild davon, welche Vernetzungen für seinen Arbeitsalltag bedeutsam sind und wie sich dadurch eine Region in der Praxis konstituiert. 

Der Breitenfellnerhof bezieht die Restprodukte der Biogasanlagen unter anderem aus Freiburg, Hildesheim und Grenzach. Bei der Wahl der Kooperationspartner:innen achtet Moritz Breitenfellner auf ein ausgeglichenes Verhältnis von Fahrtweg, Spritkosten und dem möglichen Ertrag. Mit einer Firma aus dem Elsass arbeitet er gerade an einem neuen Düngemittel, welches aus Abfällen aus der Pharmaindustrie entstehen soll. Regionalität entsteht in diesem Fall durch die Zugänglichkeit und Erreichbarkeit der Biogasanlagen und über die Verteilung von Wissen – nationale Grenzen und Identitäten spielen hierbei keine Rolle.

Kurze Wege und regionale Bezüge sind wichtige Argumente für Entscheidungen zu Kooperationen in Moritz Breitenfellners Alltag. Er betont im Interview immer wieder, wie wichtig es ist, den eigenen und den Boden der Region zu schützen und sich diesbezüglich in der Umgebung zu vernetzen, da ein gesunder Boden das Kapital der Landwirtschaft ist. So wird deutlich: Nicht nur Landwirtschaft, auch Regionalität wird von Menschen gemacht.

1 Interview mit Moritz Breitenfellner vom 17.11.2022.
2 Siehe dazu: Downs, Roger M.; Stea, David: Kognitive Karten. Die Welt in unseren Köpfen. New York 1982.

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Der landwirtschaftliche Hof als eine in sich abgeschlossene Entität – das ist eine Vorstellung, die sich in der Praxis nicht halten kann. Landwirtschaftliche Betriebe sind geprägt von Kooperationen und Beziehungen – nicht nur innerhalb des Hofes, sondern auch hin zur Natur und mit umliegenden Betrieben. Regionalität erweist sich als zentrale Kategorie – sie zeigt sich im Sorgetragen für den gemeinsam geteilten Boden oder in betriebsübergreifenden Tauschbeziehungen. 

Breitenfellner-Hof

Der Hof Breitenfellner in Kandern, Südbaden, ist ein Familienbetrieb, der sich auf landwirtschaftliche Dienstleistungen spezialisiert hat. Als landwirtschaftliches Lohnunternehmen bietet der Hof unter anderem Dienstleistungen wie Pflügen, Saatbettbereitung, Aussaat und Ernte an. Gleichzeitig betreibt der Hof einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb und konzentriert sich dabei auf den Anbau von Körnern und Weizen.

Eine Besonderheit des Hofes Breitenfellner ist die Entwicklung des eigenen organischen Düngers. Hierbei handelt es sich um eine innovative und nachhaltige Lösung, um nicht nur die Qualität der Produkte zu verbessert, sondern auch die Umwelt zu schonen.