Waren Sie schon einmal im Supermarkt und haben das Zutatenverzeichnis Ihrer im Einkaufswagen platzierten Lebensmittel nach Maisstärke untersucht? Nein? Wir auch nicht, wenn wir ehrlich sind. Spannend stellen wir es uns jedoch vor. Ebenso wie überraschend und unerwartet. Neben Popcorn und Cornflakes enthalten nämlich unter anderem auch Ketchup, Joghurt oder Speiseeis Maisstärke. Und sogar Kunststoffe, welche häufig als Verpackungen dienen, können aus Maisstärke hergestellt werden. Genau wie kompostierbare Tragetaschen, Einmalhandschuhe, Spielzeug, Kosmetik usw. Kurz gesagt: Mais ist fast überall vorhanden, auch wenn er auf den ersten Blick nicht zu erkennen oder zu schmecken ist.
Mais als wertvoller Akteur einer nachhaltigen Zukunft?
Der Mais gehört nach Weizen und Reis zu den wichtigsten landwirtschaftlichen Pflanzen weltweit. Zusätzlich kann er in Deutschland problemlos angepflanzt werden, was beim Reis nicht der Fall ist. Er erweist sich als witterungsbeständig, benötigt wenig Wasser und liefert in seinen Restprodukten Biomasse, die anderweitig eingesetzt werden kann – beispielsweise in Biogasanlagen oder als Torf- und Grillkohleersatz. Das macht ihn für Landwirt:innen wirtschaftlich interessant und rückt ihn in die Nähe von Bioökonomieprojekten und Nachhaltigkeitsdiskursen. Dort wird er jedoch auch kontrovers diskutiert; gerade der Anbau in Monokulturen steht in der Kritik. Doch wie wird der Maisanbau in der Praxis umgesetzt und welchen Bedürfnissen wird der Anbau gerecht? Stehen Wirtschaft, Bevölkerung und Nachhaltigkeit dabei im Wiederspruch?
Deswegen ist der Mais vor allem wirtschaftlich für Landwirt:innen interessant und nicht umsonst die meistangebaute Pflanze in Deutschland.1 Der Mais als nachwachsender Rohstoff wird neben der Verwendung in Form von Maisstärke, Kunststoffersatz oder Kosmetik auch zur Erzeugung von Biogas genutzt, was ihn auch zum Gegenstand gesellschaftlicher sowie politischer Debatten um Nachhaltigkeit und Bioökonomie macht. Mais verbraucht wenig Wasser und produziert dazu viel Biomasse. Aus den übrig gebliebenen Stängeln kann zudem Torfersatz produziert werden, der wiederum zur nachhaltigen Züchtung von anderen Lebensmitteln (wie z.B. Pilzen) genutzt werden kann. Der Begriff der Nachhaltigkeit, der in diesen Diskursen und Praktiken mitschwingt, ist und bleibt nicht eindeutig definiert und wird auch heute noch kontrovers diskutiert.2 Er ist ein ständiger Begleiter in unserem Alltag und hat eine gesellschaftliche Relevanz. Jede:r hat in gewisser Weise seine/ihre eigenen Vorstellungen, was und wie Nachhaltigkeit zu sein hat.
Auch der Mais steht trotz seiner zahlreichen Funktionen als scheinbar nachhaltiges Produkt seit geraumer Zeit in der Kritik. Er ist zwar pflegeleicht und damit gegenüber anderen Pflanzen ein klarer Gewinner, doch stößt – siehe oben – insbesondere die Anbauweise als Monokultur auf Skepsis.3 Ein intensiverer Blick auf die Motivationen und Praktiken rund um den Maisanbau lohnt sich.
Maisanbau zwischen Bedürfnis und Kritik
Der Landwirt Moritz Breitenfellner baut auf seinem Hof Körnermais an. Auf dem Bild sehen Sie, wie ein reifer Maiskolben aussieht. Die Fäden sind braun gefärbt und bestätigen damit die Reife. Die Ernte kann beginnen. Diese findet in der Regel im September statt, kann aber auch vom Wetter mitbestimmt werden.
Nicht aus „Jux und Tollerei“4, wie er es selbst bezeichnet, sondern um die Nachfrage zu decken und sein Einkommen zu sichern, baut Moritz Breitenfellner den Mais an. Als Landwirt, so sagt er, orientiert er sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung und dem Markt, indem er auf seinen Äckern Mais anbaut, diesen erntet und verkauft. Und dennoch stehe sein Hof immer wieder Kritik, sei Unverständnis und mangelnder Akzeptanz von außen ausgesetzt. Hier sind nur ein paar der Beispiele, die er nennt:
„Durch deinen Dünger, stinkt die ganze Umgebung […] Du machst uns durch die riesigen Maschinen die Felder und Straßen kaputt! […] Der ganze Mais. Wir sehen das ganze Jahr über nichts. Du versperrst uns die Sicht auf die Landschaft“[5]
„Mais hat einfach eine schlechte Lobby“6, behauptet Moritz Breitenfellner. Ursache darin sieht er zum einen bei Biogasanlagen, welche hauptsächlich durch eigens dafür angebauten Mais gefüttert werden, zum anderen in der Gleichstellung von Silomais und Körnermais innerhalb der Politik und Wissenschaft. Unterscheiden würden sich beide Maissorten tatsächlich auch erst bei der Ernte. Silomais wird als ganze Pflanze inklusive Stängel, Blätter und Kolben abgeschnitten und entzieht dem Boden somit wichtige Nährstoffe. Diese Maissorte dient hauptsächlich als Futtermittel oder Biogassubstrat und in den letzten Jahren wurde ihr Anbau stark ausgeweitet. Bei der Ernte von Körnermais, den auch Moritz Breitenfellner auf seinem Hof anbaut, wird nur das Korn genommen und als Maisstärke verarbeitet für Lebensmittel oder andere Produkte verwendet. Der Rest der Pflanze bleibt auf dem Acker und versorgt den Boden weiterhin mit Kalium und Phosphor.
In Deutschland werden nur rund 20 Prozent Körnermais angebaut und dies hauptsächlich im Rheingraben. Existierende Gesetze und Forschungen konzentrieren sich meist jedoch auf die anderen 80 Prozent und somit auf den An- und Abbau von Silomais. Durch die häufige Gleichstellung beider Maissorten innerhalb der Politik und Wissenschaft werden Ergebnisse aus Untersuchungen und Forschungen auch auf den Anbau von Körnermais übertragen. Unpassende Bedingungen und Rahmen werden geschaffen sowie Unverständnis und Kritik gegenüber der Landwirtschaft und dem Anbau von Mais auch innerhalb der Bevölkerung gefördert.
„Die Landwirtschaft ist einfach wichtig und das vergessen viele“7, sagt Moritz Breitenfellner. Die Anerkennung fehle. Auf die Frage hin, ob es bereits Organisationen oder Vereine gebe, welche sich dafür einsetzten, die Arbeit der Landwirtschaft mehr im öffentlichen Raum zu thematisieren und ein allgemeines Verständnis auch in urbanen Gebieten zu schaffen, erläutert Moritz Breitenfellner, dass es diese Versuche bereits gebe, sie dennoch nicht viel Anklang fänden: „Das hat halt noch nicht viel Gehör.“8
Letztendlich findet man Argumente für und gegen den Maisanbau und seine Verwertung. Ob er eine Berechtigung dazu hat, in Zukunft im Sinne der Nachhaltigkeit eingesetzt zu werden, oder durch Alternativen ersetzt werden sollte, kann jede:r in einer anderen Perspektive betrachten. Unsere kulturwissenschaftliche Perspektive rückt dabei die Kontexte in den Blick, in denen die Akteur:innen handeln, und erlaubt einen differenzierten Blick auf die Praktiken. Es zeigt sich: Mais ist nicht gleich Mais.
1 Vgl. Wolfgang Obermeyer: Vom konventionellen Landwirt zum Biogasanlagenbetreiber. In: Sperling, Franziska: Biogas – Macht – Land. Ein politisch induzierter Transformationsprozess und seine Effekte. Göttingen 2017, S. 139.
2 Vgl. Dietzig-Schicht, Sabine: Biobauern heute. Landwirtschaft im Schwarzwald zwischen Tradition und Moderne. Münster; New York 2016, S. 112.
3 Vgl. Martin Huber: XX. In: Sperling, Franziska: Biogas – Macht – Land. Ein politisch induzierter Transformationsprozess und seine Effekte. Göttingen 2017, S. 140.
4 Interview mit Moritz Breitenfellner vom 17.11.2022.
5 Interview mit Moritz Breitenfellner vom 17.11.2022.
6 Interview mit Moritz Breitenfellner vom 17.11.2022.
7 Interview mit Moritz Breitenfellner vom 17.11.2022.
8 Interview mit Moritz Breitenfellner vom 17.11.2022.