„ARBEIT IST ARBEIT IST ARBEIT IST… GESAMMELT, BEWAHRT UND NEU BETRACHTET“

Arbeit ist... vergemeinschaftend

Haben Sie schon mal an einem Firmenlauf teilgenommen? Machen Sie gerne mit Ihren Kolleg*innen Ausflüge? Das Bedürfnis nach Gemeinschaft und Zugehörigkeit im Beruf ist so alt wie die Berufe selbst.

Handwerkliche Berufe organisierten sich seit dem Mittelalter bis in das 19. Jahrhundert in Zünften. Die Zünfte begrenzten die Anzahl der Handwerker in einer Stadt. Teil einer Zunft zu sein, brachte soziale Sicherheit aber auch soziale Kontrolle in allen Lebensbereichen mit sich – von der Geburt, über die Hochzeit, bis zum Tod.

Sport galt schon in der Arbeiterbewegung des frühen 20. Jahrhunderts als eine vergemeinschaftende Aktivität. Das gemeinsame Sporttreiben stärkte den Zusammenhalt unter den Arbeiter*innen und führte zum regelmäßigen Austausch über den Kampf für ihre Rechte. Werktätige gründeten auch Chöre, um gemeinsam zu singen und ihre Werte und Ziele im Lied auszudrücken.

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„Schwestern in der Arbeit Heere“

Im „Lied der Arbeiterinnen“ fordern auch die Frauen ihren Platz in der männlich dominierten Arbeiterbewegung ein. Es ist eines der ersten Lieder der proletarischen Frauenbewegung und wurde 1896 zum ersten Mal veröffentlicht. Auch dieses Lied fand keinen Eingang in de Bücher des Arbeiter-Sängerbundes und die ursprüngliche Melodie ist heute vergessen. Demgegenüber ist das Grundthema nach wie vor aktuell: gleich die erste Strophe besingt die Doppelbelastung der Frauen durch Lohn- und Hausarbeit.

Zentrum für Populäre Kultur und Musik, Freiburg; Erstveröffentlichung 1896; Sammlungsdatum unbekannt.

„Wir halten mutig fest zusammen“

Die acht Männer auf dem Foto halten wortwörtlich zusammen. Das Kunstradfahren erfordert Synchronität und gegenseitiges Vertrauen. Beides sind Eigenschaften, die auch im Kampf um die Rechte der Arbeiter*innen hilfreich waren. Die Radfahrer brachten so ihre Zugehörigkeit zu Verein und Arbeiterklasse zum Ausdruck.

1896 wurde der Arbeiter-Radfahrerbund „Solidarität“ gegründet. Ziel der Arbeiter-Radfahrer-Vereine war es, Rad fahrende Arbeiter*innen zu vereinen und ihre Interessen zu vertreten. Im selben Jahr gründeten die hier zu sehenden Zuffenhausener Radfahrer ihren eigenen Ortsverein.

Treiben Sie auch Sport mit Ihren Arbeitskolleg*innen? Gemeinsames Sporttreiben kann auch heute noch Kollegialität unter Mitarbeiter*innen und Loyalität gegenüber der Firma stärken.

Wieso ist das eine Reproduktion?

Die Fotografie liegt in der Landesstelle für Volkskunde als Kopie vor. Sie wurde 1981 für die Ausstellung „Arbeiterbewegung – Arbeiterkultur Stuttgart 1890-1933“ des damaligen Württembergischen Landesmuseums gesammelt.

Die Fotografien zu dieser Ausstellung stammen entweder von privaten Leihgeber*innen oder aus Vereinsarchiven. Sie wurden nur als Reproduktion für die damalige Ausstellung ausgeliehen. Die Originale blieben bei den Besitzer*innen.

Landesstelle für Volkskunde des Landesmuseum Württemberg, Stuttgart; aufgenommen 1929; gesammelt 1980er-Jahre; Reproduktion. Von links nach rechts: M. Bass, K. Häfele, S. Rau, P. Endreß, P. Stocker, K. Weigle, E. Kempf und R. Schulze.

Gemeinsam Feste feiern

Stand für ein Zunftmitglied oder innerhalb dessen Familie eine Feierlichkeit an, war die Teilnahme aller Zunftmitglieder selbstverständlich. So auch bei Hochzeiten. Gerne verschenkte die Zunft Geschirr an das Brautpaar. Auf diesem waren häufig Handwerksgeräte oder Sprüche eingraviert.

Dadurch war die Zunft auch im privaten Leben des Ehepaars stetig präsent, zumal arrangierte Ehen innerhalb der Handwerkszünfte keine Seltenheit waren. Gleichzeitig drücken Geschenke wie die Kanne die Unterstützung der Zunft ihrem Mitglied gegenüber aus. Auch Gegenstände können Zugehörigkeit stiften, bestärken und inszenieren.

Rätsel lösen

Die eingravierten Symbole und Wörter liefern wichtige Hinweise für die Erforschung der Kanne. Sie verraten etwas über Alter, Gebrauch und Herstellung der Kanne.

Hier sind die Handwerkssymbole der Bäcker, Müller und Metzger erkennbar. Können Sie diese zuordnen und die Namen der Meister entziffern?

Fraglich bleibt, aus welcher Stadt die Meister kamen. Genauso warum und unter welchen Umständen die Kanne 1887 in Stuttgart angekauft wurde. Eine Objektanalyse kann diese Fragen nicht beantworten, ist aber Ausgangspunkt für weitere Recherchen.

Sammlung des Landesmuseums Württemberg, Stuttgart; hergestellt um 1770; gesammelt 1887.

Der Betrieb als Arbeitsgemeinschaft

Seit dem 19. Jahrhundert sind Firmenjubiläen ein fester Bestandteil in der Geschichte von Unternehmen. Zu diesem Anlass geben Firmen oft Festschriften heraus, die einer positiven Selbstdarstellung des Betriebes dienen. Sie bilden aber auch die vorherrschenden Werte und Strukturen innerhalb des Unternehmens zum Zeitpunkt des Jubiläums ab. Im historischen Vergleich können Festschriften  Auskunft über den Wandel von Unternehmenskulturen geben.

Bei dem ausgestellten Objekt handelt es sich um eine sogenannte Prachtkassette aus Leder und Karton. Das enthaltene Fotoalbum enthält Bilder aus den Werkshallen der Zell Schönau AG der Jahre 1951–1954.

1853 gegründet, prägte die Wiesentaler Textilfabrik lange Zeit das wirtschaftliche Leben in der Region. 1935 erhielt Heinrich Brenziger als Mitglied des Aufsichtsrates die hier ausgestellte Festschrift. Zu welchem Anlass Brenzinger die Kassette erhielt, ist nicht bekannt. Da sie der Firma als eine Art Werbung diente, brauchte ihre Herausgabe keinen bestimmten Anlass. Den Weg in das Archiv der Außenstelle Südbaden des Badischen Landesmuseums fand sie höchstwahrscheinlich über den Fotonachlass der Ehefrau, Annemarie Brenzinger.

Außenstelle Südbaden des Badisches Landesmuseum, Staufen; hergestellt 1950er-Jahre; gesammelt nach 1968.

„Die Arbeitersmänner, das Proletariat“

Anders als die Mehrzahl der vom Arbeiter-Sängerbund veröffentlichten Lieder beschreibt das Lied „Die Arbeitsmänner“ von Johann Most (1846-1906) ganz explizit die Gemeinschaft der hart und unter schlechten Bedingungen arbeitenden. Es wurde deshalb auch noch nach Aufhebung der Sozialistengesetze (1890) für einige Zeit verboten. Schließlich erwächst im Lied aus der Gemeinschaft der Arbeitsmänner ein gemeinsamer Kampf des Proletariats gegen Despoten und Tyrannen.

Zentrum für Populäre Kultur und Musik, Freiburg; Text von Johann Most 1870; Sammlungsdatum unbekannt.

Vereint im Gesang

Nach dem Ende der Sozialistengesetze (1878-1890) entfaltete sich eine breite Arbeiter-Gesangsbewegung. Vielen lokale Gruppen schlossen sich nun überregional zusammen. 1908 ging daraus der Deutsche Arbeiter-Sängerbund hervor, der sich zu einem großen Dachverband entwickelte. 1933 brachte das Ende der Arbeiter-Gesangsbewegung: Die Nazis schalteten Verbände gleich und lösten die politischen Gesangsvereine auf.

Liederbücher geben einen Einblick, welche Art von Gesang seitens der Verbände propagiert wurde. Vor dem Ersten Weltkrieg waren dies – statt Klassenkampf und schlechter Arbeitsbedingungen – vor allem unpolitische Chorstücke und das allgemeine Besingen einer vagen Freiheitssehnsucht.

Zentrum für Populäre Kultur und Musik, Freiburg; hergestellt 1907; Sammlungsdatum unbekannt.