Ein Herr, der mit Mistgabel bewaffnet auf einem Schwein reitet und dabei die Faust in die Höhe streckt; dazu der Slogan Power to the Bauer. Diese Szene ist auf einem T-Shirt zu sehen, das in der Werkstatt des Heidenhofs in Teningen hängt. Unser Feldpartner Simon Schmidt entschied sich auf Basis der weiten Aufforderung, Fotos von seinem Arbeitsalltag zu machen dazu, auch das T-Shirt zu fotografieren. Als das Bild im Interview thematisiert wurde, interpretierte er keine konkrete politische Botschaft hinein, dennoch war es im Gespräch der Auftakt einer stärkeren Fokussierung auf die Themen Politik und Bürokratie.

Die berühmt-berüchtigte deutsche Bürokratie ist Teil der meisten Berufe. Auch in der Landwirtschaft nimmt dieser Aspekt einen wichtigen Teil des Arbeitsalltags ein. Doch wie gehen die Landwirt:innen mit dem Papierkriegum? Welche Nachteile sehen sie angesichts der vielen bürokratischen Arbeit? Und welche Schlüsse kann die Kulturanthropologie hieraus ziehen? Diese Fragen sollen im Folgenden genauer betrachtet werden.

Die kulturwissenschaftliche Dimension der Thematik

Für die Thematik dieses Essays lassen sich zwei kulturanthropologische Konzepte besonders gut heranziehen. Zum einen das Konzept des Alltags, das für die Kulturanthropologie einen sehr hohen Stellenwert einnimmt. Als zweites Konzept kann Arbeit dienen. Die Arbeitskulturenforschung interessiert sich insbesondere für Alltagsphänomene, die mit Arbeit zusammenhängen, was nicht nur Erwerbstätigkeit meint, sondern beispielsweise auch Care-Arbeit und ehrenamtliche Tätigkeiten miteinschließt. Diese Konzepte stellten auch die Basis unserer Forschung dar, bei der es darum ging, den Arbeitsalltag von Landwirt:innen kulturanthropologisch zu betrachten.

Das Verhältnis zur Politik, insbesondere die Subventionierung landwirtschaftlicher Projekte, sah unser Landwirt aus verschiedenen Gründen kritisch. Einer der Hauptgründe hierfür war der große bürokratische Aufwand, der für die Förderung von Projekten aufgebracht werden muss. Allein das Dokumentieren und Einsenden von Vorgängen nehme teilweise mehrere Tage an Arbeit in Anspruch. Den großen bürokratischen Aufwand beschreibt der Landwirt als „einfach abartig“1. Die Digitalisierung schaffe hierbei noch neue Probleme, da viele Formulare online eingereicht werden müssen, was jedoch insbesondere ältere Landwirt:innen oft überfordere:

„Für mich ist das jetzt kein Problem am Computer, aber es gibt bestimmt genug alte Landwirte, die checken das dann halt überhaupt nicht oder kriegen das fast nicht hin. Und für die ist dann halt schon ein Problem, wenn man das dann irgendwie alles online machen muss.“[2]

Die bürokratische Arbeit sei zu großen Teilen Winter-Arbeit, mehrere Tage würden zu dieser Zeit mit dem Ausfüllen verschiedenster Formulare verbracht werden. Ganzjährig hingegen müssen laufende Dokumentationsarbeiten geleistet werden, da diese bei Betriebskontrollen kontrolliert werden.

Wünsche aus dem Feld

Im Hinblick auf die Bürokratie und die Politik wünschte sich unser Forschungspartner Bürokratieabbau und mehr direkte Investitionen in die Landwirtschaft. Zudem spricht er sich auch für eine stärkere Selbstregulierung des Marktes aus – wenn Lebensmittel einen höheren Wert hätten, seien Subventionen aus der Politik nicht mehr nötig:

„Aber wenn einfach die Lebensmittel genug wert sind, dann braucht man auch keine Subventionen, weil Subventionen sind ja nur der Ausgleich dafür, dass die Lebensmittel eigentlich von der Politik immer gewollt so billig sind.“[3]

Würde die Politik weniger steuern, sei ein einfacheres System möglich, zudem würden dann weniger Gelder für die Bürokratie verschwendet werden.

Fazit

Der bürokratische Arbeitsaufwand wird als nerviger und unnötiger Teil des landwirtschaftlichen Arbeitsalltags gesehen. Das Verhältnis zur Politik scheint angespannt. Bei genauer Betrachtung knüpfen an die Thematik dieses Essays noch weitere kulturanthropologisch relevante Themenfelder an, beispielsweise Alter und Digitalität. Die Thematik hat somit ein großes kulturwissenschaftliches Potential inne.

1 Interview mit Simon Schmidt vom 14.11.2022.
2 Interview mit Simon Schmidt vom 14.11.2022.
3 Interview mit Simon Schmidt vom 14.11.2022.

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Die Implementierung neuer Technologien in den Betriebsablauf ist in der Regel mit hohen Investitionssummen verbunden. Landwirtschaftliche Betriebe sind deswegen häufig auf finanzielle Förderungen seitens der Politik angewiesen. Was gefördert wird, ist dabei immer auch abhängig davon, was politisch zu der jeweiligen Zeit förderungswert erscheint. Bioökonomische Vorhaben werden gegenwärtig von Regierungen auf unterschiedlichen Ebenen forciert – zumindest in dem politisch festgelegten Rahmen. Dass es hier zu Leerstellen und Reibungszonen mit dem landwirtschaftlichen Alltag kommen kann, zeigt sich in herausfordernden bürokratischen Verfahren und fehlenden Plattformen zur Förderung eigener ökologischer Vorhaben, wie zum Beispiel der hofeigenen Wildblumenwiese.

Wissen durchzieht stetig landwirtschaftliche Arbeit und Alltage: Es geht um das Wissen über Zusammenhänge im Betriebsablauf, über Wachstumszeiten der Pflanzen, klimatische Bedingungen oder auch um das Wissen über das weitere Potential von Rohstoffen und Abfallprodukten. Wissen kann über Generationen hinweg weitergegeben oder muss erst angeeignet werden – insbesondere, wenn Innovationen in den landwirtschaftlichen Alltag integriert werden.

Heidenhof

Ein kleiner Familienbetrieb im Freiburger Umland – bewirtschaftet von Simon Schmidt und seinen Eltern. Mit einer Biogasanlage erzeugen sie dort Strom und Wärme für viele umliegende Haushalte. Ein Landwirtschaftsbetrieb, der die Felder farbenfroh erblühen lässt und der Rinder großzieht: Willkommen auf dem Heidenhof in Teningen!

Dank des Projekts durften wir Simon Schmidt besuchen und viel von seinem Arbeitsalltag lernen. In unseren Essays erfahrt ihr mehr!

Der Heidenhof:

  • in Teningen
  • Landwirtschaft mit Rinderzucht
  • Familienbetrieb
  • Stromerzeugung mit Biogasanlage

Mehr über den Heidenhof