Technik und Kulturanthropologie

Der Fortschritt der Technologie in den letzten Jahrzehnten hatte und hat einen großen Einfluss auf das Leben und den Alltag von Akteur:innen. Technologie spielt heutzutage in fast allen Lebenssituationen eine wichtige Rolle. Technische Geräte prägen jedoch nicht nur den privaten Raum, sondern sind auch in verschiedenen Berufen von Relevanz. So sind moderne technische Geräte auch in der Landwirtschaft nicht mehr wegzudenken. Die Entwicklung neuer, innovativer Technologien ist auch ein Hauptaspekt der Bioökonomiestrategien, so beispielsweise auch in Baden-Württemberg, wie das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz konstatiert:

„Mit der Landesstrategie Nachhaltige Bioökonomie wird Baden-Württemberg aktive Beiträge leisten und Technologien und Geschäftsmodelle entwickeln, die zur Umsetzung dieser Ziele beitragen.“[1]

Durch den großen Einfluss, den Technologie auf verschiedene Lebensbereiche hat, fand die Thematik auch Einzug in die Kulturanthropologie. Hermann Bausinger befasste sich bereits im Jahr 1961 mit der Volkskultur in der technischen Welt.2 Die Auswirkungen von technischen Geräten auf den Alltag von Akteur:innen stellen für kulturwissenschaftliche Betrachtungen ein interessantes Feld dar. Nachfolgend soll es um die Bedeutung technischer Geräte für den Arbeitsalltag eines Landwirtes gehen, der auf seinem Hof bioökonomische Strategien umsetzt.

Technikkultur auf dem Heidenhof

Auf Basis unserer weiten Aufforderung, Fotos von seinem Arbeitsalltag zu machen, fotografierte der Landwirt Simon Schmidt einige technische Räume und Geräte – für uns ohne das zughörige landwirtschaftliche Wissen ein erster Irritationsmoment. Unerlässlich war daher das Gespräch, in dem Simon Schmidt mit seinen Beschreibungen den Fotos Kontext verlieh, so dass wir das Gezeigte verstehen konnten.

Ein erstes Foto zeigt einen dunklen, langgestreckten Raum, an dessen Wand unterschiedlich große graue Schränke aufgereiht sind: Lüftungsschlitze, Messanzeigen, Kabel deuten darauf hin, dass hier technische Abläufe geschehen. Ein zweites Foto zeigt einen anderen fensterlosen Raum mit Metall verkleideten Wänden, isolierten Rohren und einem kleinen Schreibtisch. In unserem Gespräch mit Simon Schmidt erklärt er uns, dass die Fotos Kontroll- und Technikraum für die auf dem Heidenhof betriebene Biogasanlage zeigen. Doch nicht nur innerhalb dieser Räume spielt Technologie eine Rolle. Mit einem anderen Foto dokumentiert Simon Schmidt einen Gasdetektor im Außenbereich der Biogasanlage. Mit diesem Gerät lassen sich Gaslecks feststellen; für den Betrieb der Biogasanlage und die Sicherheit der Mitarbeitenden ist ein solches Gerät unerlässlich. Im Gespräch sagt er dazu:

„Das gehört auch noch zur täglichen Morgenroutine eben, dass man ’nen Rundgang auf der Biogasanlage macht. Das hier ist jetzt ’n Gasmessgerät, mit dem wird kontrolliert, ob irgendwo [was] undicht ist, also die Folie oder irgendwas, die Gasleitung oder so und das erkennt’s eben, wenn da Methan austritt.“[3]

Die auf dem Hof genutzte Technik hat zu Teilen eigene Räume und ist zu Teilen portabel. In jedem Fall durchzieht sie den gesamten Arbeitsalltag von Simon Schmidt. Zudem wird im Interview deutlich, dass die Fortschritte der Technik für die Landwirtschaft von hoher Relevanz sind, da die Arbeit dadurch in verschiedenen Bereichen einfacher und effizienter wird:

„Aber ja, es ist schon, es ist halt ’n enormer Fortschritt jetzt. Ich hör’s halt immer von meinem Opa, wenn der mal mitfährt und was der so erzählt von früher, wo die ja wirklich noch alles mit Pferden gemacht haben, das hat der noch miterlebt. Und das jetzt im Vergleich zu den Maschinen hier – ist halt was komplett anderes, eben das kann man ja nicht mehr miteinander vergleichen."[4]

Zugleich klingt im Gespräch auch an, dass Simon Schmidt einen Teil der Arbeit selbst verrichten will. Selbstfahrende Traktor-Roboter lehnt der Landwirt aus diesem Grund ab: „Mir machts halt Spaß auch das Fahren, genau, aber es gibt ja heutzutage sogar schon Roboter, also einfach ’n Bulldog ohne Kabine. Den fährst du aufs Feld und der macht dann die Arbeit auch. Funktioniert wohl teilweise auch schon. Also irgendwann ist das wahrscheinlich so, dass überall sowas rumfährt, einfach so selbstfahrende Hauben.“5

Neue Ansätze durch Technologie

Im landwirtschaftlichen Arbeitsalltag stellt sich das Nutzen moderner Technologien, was in den Bioökonomiestrategien oft so einfach klingt, als komplexer Prozess dar. Die Landwirt:innen müssen hohe Investitionen tätigen und stets abwägen, wie sinnvoll der Einsatz neuer Technologien ist. Sie müssen sich neues Wissen aneignen und Arbeitsabläufe umstellen. Diese Prozesse bleiben Betrachter:innen von außen oft verborgen, lassen sich erst durch alltagsnahe Analysen offenlegen. Die Technologie, die der Biogasanlage zugrunde liegt, kann als Beispiel dafür dienen, welche Relevanz neue technische Innovationen für bioökonomische Konzepte innehaben. Die Energieversorgung in Deutschland spielt derzeit im medialen Diskurs eine große Rolle, Konzepte erneuerbarer Energien erhalten viel Aufmerksamkeit. Es handelt sich also um ein hoch aktuelles Thema des politischen, medialen und wissenschaftlichen Diskurses. Doch auch außerhalb der Energieversorgung spielt Technologie eine wichtige Rolle in der modernen Landwirtschaft, deren Anteil an den alltäglichen Arbeitspraktiken dürfte in Zukunft mit weiteren technologischen Fortschritten wohl noch größer werden. Die Thematik könnte hierdurch in den nächsten Jahren noch stärker in den politischen, medialen und auch kulturwissenschaftlichen Fokus rücken.

1 Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg: Landesstrategie nachhaltige Bioökonomie Baden-Württemberg [2019]. Online verfügbar unter: https://mlr.baden-wuerttemberg.de/de/unsere-themen/biooekonomie-und-innovation/landesstrategie (Stand 12.04.2023).
2 Vgl. Bausinger, Hermann: Volkskultur in der technischen Welt. 1961.
3 Interview mit Simon Schmidt vom 14.11.2022.
4 Interview mit Simon Schmidt vom 14.11.2022.
5 Interview mit Simon Schmidt vom 14.11.2022.

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Landwirtschaft hat heute nur wenig zu tun mit einer romantisierten Vorstellung von mit Handgeräten bearbeiteten Äckern. Große Traktoren, riesige Biogasanlagen und selbstfahrende Gülletransporter ermöglichen es erst, Erzeugnisse in den benötigten Mengen, den knappen zeitlichen und finanziellen Rahmen zu produzieren. Mensch, Maschine und Rohstoff lassen sich in der landwirtschaftlichen Praxis dabei schwer voneinander trennen – vielmehr bilden sie ein komplexes Handlungsnetzwerk aus.

Heidenhof

Ein kleiner Familienbetrieb im Freiburger Umland – bewirtschaftet von Simon Schmidt und seinen Eltern. Mit einer Biogasanlage erzeugen sie dort Strom und Wärme für viele umliegende Haushalte. Ein Landwirtschaftsbetrieb, der die Felder farbenfroh erblühen lässt und der Rinder großzieht: Willkommen auf dem Heidenhof in Teningen!

Dank des Projekts durften wir Simon Schmidt besuchen und viel von seinem Arbeitsalltag lernen. In unseren Essays erfahrt ihr mehr!

Der Heidenhof:

  • in Teningen
  • Landwirtschaft mit Rinderzucht
  • Familienbetrieb
  • Stromerzeugung mit Biogasanlage

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