Am Rande eines intensiv bewirtschafteten Feldes in Südbaden steht eine Haselnussplantage. Sie bringt keinen finanziellen Gewinn, bietet aber Zuflucht für viele Wildtiere, die oft vor den lauten Landmaschinen zurückweichen müssen, und ist eine wichtige Nahrungsquelle für beispielsweise Eichhörnchen, die dort ihren Wintervorrat zusammensammeln und verstecken. Eine Landwirtschaftsfläche für Wildtiere – ist das nicht ein Widerspruch?

Pionier des Ökosystems

Die Haselnuss dient uns Menschen als guter Snack und Energie- und Eiweißlieferant. Der Haselnussstrauch ist eine sogenannte Pionierpflanze und hat somit eine wichtige ökologische Funktion. Als eine solche Pflanze, wächst sie in Gebieten, in denen noch nicht viele weitere Pflanzenarten Wurzeln geschlagen haben. Sie erschließt damit einen neuen Lebensraum und ist ein Wegbereiter für anspruchsvollere Gewächse. Als Pionierpflanze ist der Haselnussstrauch nicht wählerisch was z.B. einen guten nährstoffreichen Boden angeht. Durch ihn werden dem Boden wieder mehr Nährstoffe zugefügt. Nach einer gewissen Zeit wird dann die Pionierpflanze durch weitere Pflanzenarten verdrängt, die nach und nach in demaufbereiteten Boden Wurzeln schlagen.

 

Seit 1999 steht diese Haselnussplantage nun auf dem Baumert Hof. Vor ihr war dort eine eher feuchte Wiese, die schwer bewirtschaftet werden konnte. Man konnte im Endeffekt Heu davon ernten. Das Ziel der Haselnussplantage war anfangs, die Nüsse zu ernten und damit Geld zu verdienen. Allerdings stellte sich bald heraus, dass der Ertrag nicht so regelmäßig und gut ausfiel, wie anfangs gedacht. Die Haselnüsse werden mittlerweile nicht mehr geerntet. Aber Familie Baumert entschied sich trotzdem, die Plantage stehen zu lassen, da sie einen Schutzraum und einen Mehrwert für das kleinräumige Ökosystem dort bietet. Ein Grundsatz, nach dem die Familie Baumert arbeitet, ist, in den Worten unserer Forschungspartnerin Veronika Larranaga-Schneider: „So nachhaltig wie möglich und alles [Dünger/Pflanzenschutzmittel, Anm. d. Verf.] nur so viel wie nötig“1. Mit diesem Grundsatz versuchen sie nicht ‚gegen‘ die Natur zu arbeiten, sondern überall, wo sie können, der Natur etwas zurückzugeben. Hier bedeutet dies explizit die Haselnusssträucher als Rückzugsort und Nahrungsquelle für Tiere zu erhalten, auch wenn sie daraus keinen wirtschaftlichen Profit ziehen. 

Zufluchtsort für Tiere

Den ‚Profit‘ machen in dem Fall andere: Eichhörnchen ‚gewinnen‘ hier Futter, Wildtiere Ruhe und Schutz „und Bienen im Januar ersten Pollen“2, wie Veronika Larranaga-Schneider im Gespräch betont. Ihr Familienbetrieb kooperiert mit Imker:innen, die ihre Bienenvölker über den Winter und in den Anfängen des Frühjahrs zwischen den Sträuchern leben lassen. Die Haselnuss ist eine der ersten Pflanzen im Frühjahr, die anfängt zu blühen und bietet dadurch eine optimale Nahrungsquelle für die Bienen nach deren Winterschlaf. 

Die Familie Baumert versucht der Artenvielfalt und dem Ökosystem etwas zurückzugeben, indem sie die Haselnussplantage gerade so gut wie nichtbewirtschaftet. Es ist eine Fläche, mit der sie kein Geld verdient, mit der sie aber einen Beitrag zur Erhaltung der Artenvielfalt leistet.

1 Interview mit Veronika Larranaga-Schneider vom 07.11.2022.
2 Interview mit Veronika Larranaga-Schneider vom 07.11.2022. 

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Was passiert im landwirtschaftlichen Alltag, wenn nicht mehr primär das Ökonomische, sondern auch das Ökologische zum Bezugspunkt der Praktiken wird? Oder ist die Auseinandersetzung mit ‚Natur‘ – etwa Pflanzen und Tieren – der Landwirtschaft sowieso inhärent? Landwirt:innen stehen in einem relationalen Verhältnis zu der sie umgebenden Umwelt: Das Sorgetragen für neu wachsende Fichten und Tannen sichert den eigenen wirtschaftlichen Ertrag, die stofflich nicht direkt verwertbare Haselnussplantage stabilisiert die Biodiversität und gibt Nährstoffe an den bewirtschafteten Ackerboden zurück. Die Vorstellung einer vermeintlichen Trennung von Mensch und Umwelt, von Kultur und Natur scheint hier aufgehoben.

Baumert Hof

Der Baumert Hof ist einer von tausenden Höfen in Baden-Württemberg. Als Aussiedlerhof in den 1950er Jahren gegründet, hat sich die Art der Bewirtschaftung seitdem stark verändert. Noch heute gibt es Ackerbau und Nutztierhaltung auf dem Hof – doch die Methoden haben sich stark verändert. Wo früher noch händisches Melken notwendig war, übernimmt diese Aufgabe nun ein Melkroboter. Ein Teil der Milch wird noch vor Ort zu Speiseeis verarbeitet und dann verkauft. Auch die Ackerflächen dienen nicht mehr allein dem Anbau von Futtermitteln für Nutztiere, sondern auch der Produktion von Biomasse für die hofeigene Biogasanlage. Ein Großteil der genutzten Biomasse wird aber nicht extra dafür angebaut.

So fällt Gülle als Nebenprodukt der Milchviehhaltung an. Neben dem Ausbringen der Gülle als Dünger wird sie in der Biogasanlage energetisch genutzt.

Das Team um Veronika Larranaga-Schneider, Karl-Philipp Baumert und Raphael Baumert betreibt den Hof mit einer klaren Orientierung auf eine Landwirtschaft, die auch in Zukunft noch bestehen kann. Diese Ausrichtung zeigt sich nicht nur in den genutzten nachhaltigen Methoden, sondern auch etwa durch den Versuch den Kund:innen, Abläufe transparent und nachvollziehbar darzustellen. Sei es durch die installierten Infotafeln vor dem Hof oder die Einladung den Hof zu besuchen.