Die letzten Strahlen der Sonne erleuchten schwach die Disteln, welche sich, als Teil einer
üppigen Wildblumenmischung, in einer breiten Schneise um die Ackerfelder des Agrarbetriebs Baumert im Maiwald in Renchen, zwischen Offenburg und Baden-Baden, legen. Das Foto, das diesen Moment festhält, wurde, ebenso wie viele weitere Bilder, von unserer Forschungspartnerin Veronika Larranaga-Schneider für unser Forschungsprojekt mit der Photovoice Methode aufgenommen und bietet einen individuellen Einblick in den Arbeitsalltag der Landwirtin. Im Interview ermöglichten die Fotos dann einen Gesprächseinstieg und es eröffnete sich ein Gespräch über viele verschiedene Themen wie politische Einflüsse, Nachhaltigkeit undSelbstverortung.

Die hier fotografierten Blumen nehmen nicht nur optisch Einfluss auf ihre Umgebung, sondern dienen Wildtieren, besonders in den kalten Wintermonaten, als Rückzugsort. Denn auch wenn die Wildblumen einmal im Jahr abgeerntet und in der hofeigenen Biogasanlage in Energie umgewandelt werden, bleiben die Stängel als Schutz vor Schnee und Kälte für kleine Wildtiere stehen. Das Feld bildet also das ganze Jahr über eine vielseitige und sich wandelnde Nutzfläche. Dies scheint ein wiederkehrendes Motto des Baumert Hofes zu sein, was sich in dem Gespräch mit Landwirtin Veronika Larranaga-Schneider herauskristallisiert:

„Wir versuchen hier einfach auch wieder einen Kreislauf zu bilden. Wir können mit dem Ertrag, den wir haben in der Biogasanlage, ein bisschen was anfangen und haben trotzdem etwas getan für die Umwelt, was uns ganz wichtig ist“[1]

Von diesem Beispiel ausgehend eröffnet sich die Frage: Wie kann es gelingen, aus dem angesprochenen Versuch, einen Kreislauf zu schließen, eine etablierte landwirtschaftliche Praxis zu machen? Wo liegen hier Hürden und Grenzen und wie verteilt sich Handlungsmacht zwischen Politik, ökonomischen Zwängen und den landwirtschaftlichen Akteur:innen? 

Kosten-Nutzen-Bilanzen

Der Natur mithilfe von Kreislauflandwirtschaft etwas zurückzugeben, scheint ein überzeugender nachhaltiger Ansatz zu sein. Er wird aber unter anderem deshalb gegenwärtig nicht bereits von jedem landwirtschaftlichen Betrieb verfolgt, weil in die Entscheidungen für und gegen Naturschutzmaßnahmen und das Stärken von Kreisläufen unzählige Faktoren einfließen: zuvorderst Angebot und Nachfrage, Logiken der Marktwirtschaft. Besonders hervorgetreten ist in dem Dialog mit den Vertreter:innen des Baumert Hofes der Kosten-Nutzen-Aspekt. Zum Beispiel reicht der Ertrag, welcher bei dem Kreislaufprojekt der Wildblumenmischung zusammenkommt, nicht aus, um sich selbst zu finanzieren. Die Deutsche Wildtier Stiftung gleicht hier den finanziellen Verlust des Projektes aus. 

Liegt die Entscheidungsmacht vielleicht bei den falschen Personen?

Nachhaltige Projekte und alternative Ansätze kosten die landwirtschaftlichen Betriebe oftmals mehr Geld als sie einspielen. Es bedarf also finanzieller Unterstützung, bestenfalls von staatlicher Seite, so die Interviewten. Auch Veronika Larranaga-Schneider hat eine klare Meinung, bei wem die Verantwortung liegt: „Die Politik ist eigentlich in der Pflicht, die Förderungen für solche Dinge zu übernehmen und nicht irgendwelche privaten Stiftungen“². Zwar gibt es die von der Politik geförderte Zukunftsvision der Bioökonomie, welche für die Verwendung von nachhaltigen und biologischen Ressourcen plädiert, doch scheint es zurzeit aufgrund aufwendiger bürokratischer Prozesse noch sehr schwierig für die Landwirt:innen diese Unterstützungsgelder zu beantragen. Aufgrund dieser Hürde lässt sich diese Zukunftsperspektive der Bioökonomie, unter die auch die Kreislauflandwirtschaft fällt, aus meiner Sicht noch eher als eine Vision und weniger als konkret erfassbares und umsetzbares Ziel beschreiben. Auch der Dialog zwischen Entscheidungsträger:innen und Landwirt:innen scheint stark ausbaufähig und lässt Raum für die Frage, ob die Entscheidungsmacht nicht auch bei den Landwirt:innen mit ihrem Expert:innenwissen liegen sollte. Denn zu diesem Zeitpunkt zeigt sich hier eher eine Top-down Struktur, was bedeutet, dass die Vertreter:innen der Politik als kleine Gruppe Einfluss auf sämtliche Landwirt:innen sowie weitere Gruppen und Akteur:innen des landwirtschaftlichen Sektors haben, die alternative Ansätze in ihren Betrieben praktizieren wollen. Aus dem Dialog mit den verschiedenen Landwirt:innen in unserem Forschungsprojekt geht hervor, dass sich diese teils von dem Entscheidungsprozess ausgeschlossen und durch die Politik unzureichend vertreten fühlen. Um dem entgegenzuwirken und für die Rechte und Anliegen der Landwirt:nnen in der Politik einzutreten, gibt es zum Beispiel den Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband. Aus der Tatsache, dass dem Verband 16.000 Einzelmitglieder angehören, geht hervor, dass hier durchaus Interesse an einem Mitspracherecht und einer direkten Vertretung in der Politik besteht. Abschließend stellt sich die Frage: Wären nicht mehr Betriebe bereit, Kreislauflandwirtschaft zu betreiben und somit positiven Einfluss auf die Natur und Umwelt zu nehmen, wenn dies keine Bedrohung ihrer Existenz darstellen würde?

1 Interview mit Veronika Larranaga-Schneider vom 07.11.2022.
² Interview mit Veronika Larranaga-Schneider vom 07.11.2022.

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Die Implementierung neuer Technologien in den Betriebsablauf ist in der Regel mit hohen Investitionssummen verbunden. Landwirtschaftliche Betriebe sind deswegen häufig auf finanzielle Förderungen seitens der Politik angewiesen. Was gefördert wird, ist dabei immer auch abhängig davon, was politisch zu der jeweiligen Zeit förderungswert erscheint. Bioökonomische Vorhaben werden gegenwärtig von Regierungen auf unterschiedlichen Ebenen forciert – zumindest in dem politisch festgelegten Rahmen. Dass es hier zu Leerstellen und Reibungszonen mit dem landwirtschaftlichen Alltag kommen kann, zeigt sich in herausfordernden bürokratischen Verfahren und fehlenden Plattformen zur Förderung eigener ökologischer Vorhaben, wie zum Beispiel der hofeigenen Wildblumenwiese.

Baumert Hof

Der Baumert Hof ist einer von tausenden Höfen in Baden-Württemberg. Als Aussiedlerhof in den 1950er Jahren gegründet, hat sich die Art der Bewirtschaftung seitdem stark verändert. Noch heute gibt es Ackerbau und Nutztierhaltung auf dem Hof – doch die Methoden haben sich stark verändert. Wo früher noch händisches Melken notwendig war, übernimmt diese Aufgabe nun ein Melkroboter. Ein Teil der Milch wird noch vor Ort zu Speiseeis verarbeitet und dann verkauft. Auch die Ackerflächen dienen nicht mehr allein dem Anbau von Futtermitteln für Nutztiere, sondern auch der Produktion von Biomasse für die hofeigene Biogasanlage. Ein Großteil der genutzten Biomasse wird aber nicht extra dafür angebaut.

So fällt Gülle als Nebenprodukt der Milchviehhaltung an. Neben dem Ausbringen der Gülle als Dünger wird sie in der Biogasanlage energetisch genutzt.

Das Team um Veronika Larranaga-Schneider, Karl-Philipp Baumert und Raphael Baumert betreibt den Hof mit einer klaren Orientierung auf eine Landwirtschaft, die auch in Zukunft noch bestehen kann. Diese Ausrichtung zeigt sich nicht nur in den genutzten nachhaltigen Methoden, sondern auch etwa durch den Versuch den Kund:innen, Abläufe transparent und nachvollziehbar darzustellen. Sei es durch die installierten Infotafeln vor dem Hof oder die Einladung den Hof zu besuchen.