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Die Besucher:innen des Baumert Hofes im Maiwald werden beim Betreten des Geländes direkt von dem nagelneuen Eisautomaten empfangen, in welchem sie das hofeigene Eis erwerben können. Landwirtin Veronika Larranaga-Schneider stellt dieses aus der erzeugten Milch ihrer hofeigenen Milchkühe sowie eigenen und regional angebauten Früchten her. An diesem Beispiel zeigt sich bereits, wie wichtig kooperatives Arbeiten zwischen landwirtschaftlichen Betrieben für die Umsetzung von lokalen, innovativen Projekten ist. Denn das Eis kann nur regional produziert werden, wenn durch den Zusammenschluss der Höfe eine ausreichende Menge und Vielfalt an Früchten gewährleistet werden kann.

Dies ist eines der vielen Projekte, in deren Rahmen der Baumert Hof regional mit den umliegenden Betrieben zusammenarbeitet. Der Baumert Hof sieht in diesen Kooperationen einen wichtigen Bestandteil des nachhaltigen Arbeitens, was sich auch in einem Interview mit Veronika Larranaga-Schneider zeigt:

„Wir versuchen einfach aus bestehenden Kontakten Kreisläufe zu bilden und die eventuell irgendwann auch mal zu vergrößern oder einfach zu intensivieren.“[1]

Welche Rolle spielt regionale Zusammenarbeit für eine nachhaltige Landwirtschaft?

Biogasanlage: der Allesfresser

Ein weiteres Beispiel für einen gelungenen Kreislauf zwischen Kooperationspartner:innen ist die Biogasanlage des Baumert Hofes, die mit unterschiedlichen Abfallprodukten umliegender Höfe betrieben wird. Bei der Weinproduktion eines nahen Weinbetriebs entstehen Reste in Form von sogenanntem Traubentrester; dabei handelt es sich um Traubenpressrückstände, also Schalen, die von den Winzer:innen nicht weiterverarbeitet werden können. Deshalb darf der Baumert Hof diese Abfallprodukte bei dem Weinbetrieb abholen und in seiner Biogasanlage zu Energie umwandeln. Zudem hat der Hof eine Absprache mit benachbarten Pferdebetrieben, welche lediglich den ersten Grasschnitt von ihren Wiesen verwenden können, weshalb der zweite und dritte Schnitt ebenfalls als Futter für die Biogasanlage dient. Jedoch müssen die Landwirt:innen des Baumert Hofes das Gras selber mähen und ernten und zu ihrer Anlage bringen.

Doch profitiert die Biogasanlage nicht nur von der Region, sondern sie gibt dieser auch etwas zurück – und zwar in Form von Energie. Genug um ganze 750 Vierpersonenhaushalte im Jahr mit Strom zu versorgen. Zudem reicht die in der Biogasanlage entstehende Wärme aus, um weitere 16 Haushalte zu beheizen und um die Holzhackschnitzel der Firma Fallert Ortenauer Holzenergie zu trocknen. Anhand dessen zeigt sich, dass die Biogasanlage den Kreislauf der Regionalität fördert.

In der Kulturanthropologie gibt es verschiedene Ansätze, einen Raum zu definieren. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Räume durch Beziehungen und Praktiken entstehen und somit Resultate von sozialen Prozessen sind, welche in diesen Räumen Ordnung und Orientierung schaffen. Gleichzeitig sind sie auch im stetigen Wandel, indem verschiedene Verbindungen stärker ausgebildet oder verringert werden. In unserem Beispiel von regionaler Zusammenarbeit wird sichtbar, dass Räume durch die Höfe gebildet und geprägt werden und sowohl Menschen als auch Materialitäten und Tiere diese beeinflussen. Hier kann auf die Akteur-Netzwerk-Theorie, geprägt von dem Soziologen Bruno Latour, verwiesen werden.2 Danach beeinflussen alle Lebewesen eines Raumes diesen, wie auch sich gegenseitig, durch ihre eigene Handlungsmacht. Das nächste Beispiel zeigt, wie notwendig regionale Räume für eine nachhaltige Wirtschaft sind.

Wohin mit den Männern?

Ein anderer großer Bereich des Betriebes der Familie Baumert ist die Milchviehhaltung, diese umspannt 70 Milchkühe und 60 weibliche Rinder. Hieraus ist bereits abzulesen, dass lediglich die weiblichen Kälber für den Hof von Relevanz sind. Veronika Larranaga-Schneider erzählt:

„Große Diskussion ist hier immer: Schwarzbunte Bullenkälber, was passiert mit denen? Das ist bei uns auf dem Hof ein bisschen anders gelöst.“[3]

Mit anders ist hierbei gemeint, dass die Bullenkälber keine langen Transportwege, zum Beispiel bis nach Portugal, zurücklegen müssen, sondern regional auf dem Nachbarhof in einem großen Bullenmaststall großgezogen und anschließend geschlachtet werden.

Das Fleisch wird dann in dessen Hofladen und ausgewählten lokalen Metzgereien verkauft. Es profitieren also beide Höfe und der Handel bleibt auf einer regionalen Ebene.

Es zeigt sich anhand dieser Beispiele, wie wichtig ein Netzwerk zwischen den lokalen Betrieben ist, um Transportemissionen zu reduzieren, alternative Energiequellen zu ermöglichen und regionale Lebensmittel zu produzieren. Zusammengefasst zeigen diese bestehenden Netzwerke zwischen verschiedenen lokalen Höfen deren Wichtigkeit für nachhaltige Projekte. Auch der Baumert Hof sieht hier eine große Priorität und plant die Kontakte zu benachbarten Höfen in der Zukunft weiter auszubauen und die Zusammenarbeit zu intensivieren.

1 Interview mit Veronika Larranaga-Schneider vom 07.11.2022. 
Vgl. Latour, Bruno: Der Berliner Schlüssel. Erkundungen eines Liebhabers. Berlin 1996.
3 Interview mit Veronika Larranaga-Schneider vom 07.11.2022.

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Der landwirtschaftliche Hof als eine in sich abgeschlossene Entität – das ist eine Vorstellung, die sich in der Praxis nicht halten kann. Landwirtschaftliche Betriebe sind geprägt von Kooperationen und Beziehungen – nicht nur innerhalb des Hofes, sondern auch hin zur Natur und mit umliegenden Betrieben. Regionalität erweist sich als zentrale Kategorie – sie zeigt sich im Sorgetragen für den gemeinsam geteilten Boden oder in betriebsübergreifenden Tauschbeziehungen. 

Baumert Hof

Der Baumert Hof ist einer von tausenden Höfen in Baden-Württemberg. Als Aussiedlerhof in den 1950er Jahren gegründet, hat sich die Art der Bewirtschaftung seitdem stark verändert. Noch heute gibt es Ackerbau und Nutztierhaltung auf dem Hof – doch die Methoden haben sich stark verändert. Wo früher noch händisches Melken notwendig war, übernimmt diese Aufgabe nun ein Melkroboter. Ein Teil der Milch wird noch vor Ort zu Speiseeis verarbeitet und dann verkauft. Auch die Ackerflächen dienen nicht mehr allein dem Anbau von Futtermitteln für Nutztiere, sondern auch der Produktion von Biomasse für die hofeigene Biogasanlage. Ein Großteil der genutzten Biomasse wird aber nicht extra dafür angebaut.

So fällt Gülle als Nebenprodukt der Milchviehhaltung an. Neben dem Ausbringen der Gülle als Dünger wird sie in der Biogasanlage energetisch genutzt.

Das Team um Veronika Larranaga-Schneider, Karl-Philipp Baumert und Raphael Baumert betreibt den Hof mit einer klaren Orientierung auf eine Landwirtschaft, die auch in Zukunft noch bestehen kann. Diese Ausrichtung zeigt sich nicht nur in den genutzten nachhaltigen Methoden, sondern auch etwa durch den Versuch den Kund:innen, Abläufe transparent und nachvollziehbar darzustellen. Sei es durch die installierten Infotafeln vor dem Hof oder die Einladung den Hof zu besuchen.