Alltag

„Also ich geh meinem gelernten Beruf nach von Montag bis Donnerstag. Gipser und Stuckateur. Wenn ich dann ab 17 Uhr zuhause bin, dann [schaue ich] was halt anfällt, geh[e] Brennholz sägen, oder um den Hof rum, [oder] Maschinenwartung, Motorsägenwartung, oder [ich] fahre in Wald und schau nach Käferbäumen, also befallenen Bäumen. Freitags und samstags geht´s eigentlich [so] weiter. Halt nur den ganzen Tag, entweder geh ich dann in [den] Wald und tu richtig Stammholz/ also Bäume fällen oder halt Hecken und Gehölze zurückschneiden. So ist mein Alltag. Variiert von Jahreszeit und Wetter.”1

© Anastasia Gretz und Elisabeth Schwer

„Im Winter, wenn ein Meter Schnee liegt, habe ich eigentlich nichts zu tun. Mehr oder weniger. Dann lauf ich trotzdem mit den Schneeschuhen durch den Wald und gucke, wo irgendwo Schneebruch ist, also wenn Bäume abgebrochen sind, von der Schneelast oder vom Wind. Aber sonst, da wir hier auf 850 Meter liegen, habe ich nicht die Möglichkeiten irgendwas zu machen. Weil es dann auch stückweit zu gefährlich wird. Weil einem dann der Schlepper wegrutschen kann. […] du hast irgendwann nasse Hände, es ist alles kalt, oder wird alles kalt.“

„Und dann tut man immer wieder ein bisschen nachpflanzen, wenn die Naturverjüngung nicht von allein kommt. Also wenn die Rehe zu viel fressen. Oder ich steuer das ja auch ein bisschen. Dann setz ich innen kompletten Nadelwald, oder Fichten Wald, dann eher bisschen Laub rein, damit es eine Durchmischung gibt.“

„Und ich bin meistens zu 98% allein. Was auch nicht [sein] sollte wegen [der] Verletzungsgefahr und […] wenn du dir [etwas] einklemmst, morgens um halb 8 suchen die mich erst abends um 5. Weil ich vesper, nehme alles mit und sage ich bin um 17:00 Uhr wieder da. Also diese 9 Stunden vermisst mich keiner. Aber ich habe das Handy dabei. Ich habe zwar nicht überall Empfang aber [ich habe] 3 Kinder und eine Frau. Anfangen mit Rumtrickser, oder irgendwie was völlig Harakiri… dann warte ich, bis der Kumpel dabei ist. Also, wenn ein Baum auf [eine] Stromleitung [fällt] oder an einer Stromleitung hängt, dann mach ich das nicht zwangsläufig. Ich mach es dann schon mal alleine, weil ich weiß, was ich kann, was nicht. Aber normal umgehe ich sowas.“

„Ich bin dran gewöhnt. Es hilft mir mal ein Kumpel aus dem Glottertal. Aber der fällt dann die Bäume und ich sitze eigentlich den ganzen Tag im Schlepper und tue sie [die Bäume] rausziehen. Und klar wir trinken mal kurz Kaffee oder reden miteinander.“

Stoffgeschichte

Geschichtliche Aspekte des Hofs:

„Dann haben sie mal früher Stallfläche angepflanzt, dann nach dem Ersten Weltkrieg wurde teilweise Fläche abgeholzt, als Kriegslast. Frankreich hat, glaube ich, ganz viel geholt. Und dann wurde es angesetzt, aber im Großen und Ganzen hat der Hof irgendwas immer zwischen 40 und 50 Hektar Wald.“

„Und [da]durch, dass wir 45 Hektar Wald haben, […] gibt es immer Hackholz. Das heißt die ganzen Gehölzstreifen an den Wegen entlang, der Windbruch, Schneebruch […] Das Holz oder das Hackholz verrottet. Entweder verrottet es im Wald, oder ich verkaufe es. Ich verkaufe an Hackschnitzel alles außer dem Eigenbedarf, das habe ich 2010 angefangen.“

„Das mache ich noch im Wald. Das sind dann so Rollen, die spalte ich im Wald auf, ich fahre die nicht einfach aus Jux und Tollerei durch die Gegend, sondern die spalte ich im Wald und im Wald mache ich auch diese Bündel, diese Ballen. Und dann fahre ich die im Sommer, Juni oder Juli, hier aus dem Wald raus an den Waldrand, wo sie dann richtig Sonne und Luft abkriegen. Die sind dann richtig trocken. Im Wald im Schatten verstickt das Buchenholz mehr oder weniger. Und dann wird es wertlos.“

„Du musst ja das Totholz irgendwie aus dem Wald rauskriegen, sonst wird es immer gefährlicher, ob es liegt, oder ob es steht. Wenn es liegt, musst du drüber laufen. Du musst immer darübersteigen, und wenn es steht und ein anderer Baum fällt, und er den irgendwie berührt, kann es sein, er bricht einfach und dann trifft dich der höhere Teil.“

„Es ist nur das Hotel, an das ich Hackschnitzel verkaufe. Das ist auf mich zugekommen. Weil ich in einem Jahr, das war 2008, da gab es einen Sturm, am zweiten Weihnachtstag auf einen Schlag drei oder 400 Kubik Hackschnitzel gehabt habe. Die Fernwärme in St. Peter hat es noch nicht gegeben, die ist erst 2011 gekommen. Dann hat mich das Hotel angefragt, weil sie in dem Sommer die Hackschnitzelheizung gebaut haben und mitgekriegt haben, dass ich halt so viele Hackschnitzel habe und so ist es entstanden.“

„So verkaufe ich das Holz an meine Kunden. Das sind jetzt zwei Ster. Die fahre ich mit dem Autoanhänger weg. Alles andere, was dann 4,5,6 Ster sind, fahre ich mit dem Schlepper oder Großkipper.“

„Zwölf Kunden sind es. Die wissen das mittlerweile. Ich habe denen das mal so klargemacht. Sie können ein Ster hoch und ein Ster runter. Also, wenn sie letztes Jahr 3 hatten, dann können sie nächstes Jahr vier oder zwei haben, aber nicht auf einmal sagen: „Ich möchte jetzt acht. Ich habe noch 15 andere Kunden und dieses ‚ein Ster hoch oder ein Ster runter‘ das ergibt sich dann. Der eine hat jetzt letztes Jahr nichts gebraucht, der sonst zwei bekommt. Dafür hat ein anderer einen mehr gebraucht. Dann kann ich das so ein bisschen schieben. Aber einfach so das Dreifache oder das Doppelte, das geht nicht. Dann müssen sie irgendwo anders hin. Jetzt hat dieses Jahr auch einer angerufen und gesagt: ‚Ich brauch 6 Ster‘ Habe ich nicht.“

„Stundensatz 30 Euro. Ich bin mit dem Auto runtergefahren, hoch und runter. Mit dem Schlepper hätte ich 75 Euro verlangt. Ich sitz ja auch noch drin. Wenn ich von meinem Stundenlohn ausgehe, jemandem helfe beim Holz machen, dann verlange ich 25 Euro.“

„Gewisse Sortimente gibt es einfach nicht mehr oder keinen Absatz mehr [dafür], früher war es Papierholz, das war Holz in dieser Stärke. Dafür hast du früher Geld gekriegt, heute gibt es dieses Sortiment gar nicht mehr.“

Praxiswissen

© Anastasia Gretz und Elisabeth Schwer

„Manche sagen Hackschnitzel, manche sagen Waldhackschnitzel. Aber es gibt auch Industriehackschnitzel. Die tun aus dem Sägewerk die Rinde und die Schwarte, also was da Abfall ist, manches tun die hacken und das ist dann Industriehackschnitzel. Die haben dann keinen so hohen Brennwert, weil das ja nur die Rinde ist und nicht das Stammmaterial.“

„Fegen. Fegen ist der Fachbegriff. Dann fegen sie alles Mögliche, das hier ist Laub. Das kriegt man aber nur in den Griff, wenn man die Rehe abschießt. Ich könnte die zwar auch schützen mit Stachelbaum, das ist so ein Metallstab mit vielen Stacheln. Dann kommt der Rehbock und versucht sich da zu kratzen, aber dann stupfen ihn die [Stacheln].“

„Die Douglasie hat ja viel borstigere Nadeln, wie Tanne und Fichte und sind viel flexibler, wenn sie klein sind. Deshalb bevorzugt er [der Rehbock] die Douglasie. Und das ist nervig. Das ist dann dem Jäger seine Aufgabe eigentlich. Durch die Jagdgenossenschaft in Sankt Peter sind die aufgeteilt in 7 Lose, also diese ganze Fläche von Sankt Peter.“

„Das sind [quasi] Gullideckel im Waldweg, dass das Wasser von der Bergseite unter der Straße durch, auf die andere Seite fließt. Dass das Wasser, wenn es fließt, den Waldweg nicht kaputt macht. Und irgendwann hör ich dann auch wieder auf im Wald, wenn es dann Sommer wird, wenn dann alles wieder voll im Saft steht, also Laubbäume wieder Blätter haben, dann ist halt die Gefahr, die anderen Bäume zu beschädigen viel höher wie im Winter, wenn kein Wasser im Stamm ist.“

© Anastasia Gretz

„Das können dann aber auch, dass ist immer so eine Gratwanderung, Trockenschäden sein. Weil der Baum dann einfach zu wenig Wasser bekommen hat und dann einfach abstirbt. Und daraufhin der Borkenkäfer in die Rinde einfällt. Weil der Baum braucht ja Wasser, damit er Harz bilden kann. Und das Harz ist ja der natürliche Schutzschild für den Baum. Die [Borkenkäfer] bohren die Rinde an und dann kann [der Baum] verharzen. Fehlt denen aber das Wasser, so wie in den letzten drei Jahren im Sommer, dann kann er kein Harz bilden. Das ist der Häcksler. Damit kann man das Holz hacken. Der zieht das dann vom Tisch da rein. Der hat 800 PS.“

© Anastasia Gretz

„Eine Motorsäge wiegt 4 Kilo. Und die musst du auch rumtragen. Jeder Ast hat ein bisschen Spannung und [ist] verdreht. Irgendwann kriegst du es dann raus und dann siehst du: Ok, der Stamm liegt so. Wo säge ich, wie säge ich?“

„Weil du ein bisschen mehr Input kriegst. Einmal Ergonomie. Und einfach Technik, du kannst auch Youtube Videos anschauen, du musst [es] halt irgendwann mal machen. Und sie kosten ja nix, dann musst du nur 2 Tage Urlaub nehmen, weil die Kurse sind unter der Woche.“

„Es gibt eine Macht der Gewohnheit, du machst das schon seit Kindesalter, du siehst es, dann gehen sie davon aus, dass du das gelernt hast. Aber als der Vater gestorben ist, war […] ich dann mehr oder weniger allein und dann hat der Förster gesagt: ‚Die Kurse kosten für euch Privatwaldbesitzer nichts, weil ihr habt eine Nummer bei der Berufsgenossenschaft.‘ Wenn ich diese angeb bei dem Sägekurs, ist er für mich umsonst. Und es gibt glaube ich sechs oder acht Kurse, also einmal der Anfängerkurs, dann der Starkholz Kurs, Holz unter Spannung, Holzfällen mit Wind, Holzfällen im Steilhang, Sturm und zwei Scheine habe ich gemacht. Der ganz normale Sägeschein, wo es da ein bisschen drum geht, wie feile ich, wie halte ich die Motorsäge ergonomisch, so dass ich abends nichts am Rücken habe. Und der zweite Kurs in St. Peter  […]  war zu voll und zu überlaufen, weil damals der Staat auch gesagt hat, jeder wo im Stadtwald Holz einschlägt, muss einen Schein haben. Das war bis vor kurzem nicht so. Dann waren die ganzen Kurse ausverkauft, deshalb sind wir nach Malterdingen. Und der Starkholzkurs war im Zastler. Da haben sie dann auch unterschiedliche Sägetechniken, Feldtechniken. Ich säge so ein Kuchenstück raus und setze einen Wagenheber ein, dass ich den Baum auch da hinkriege, wo ich ihn hinhaben will. Das war das Hauptmerk in diesem Kurs.In irgendeine Richtung hängt [der Baum] oder hat in irgendeiner Richtung mehr Äste. Dann noch mit der Bruchstufe oder wie ich säge, dass er sich dann während dem Fallen noch reindreht.“

1 Die im folgenden aufgeführten Zitate stammen alle aus dem Interview mit Philipp Ruf vom 05.11.2022.

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Der landwirtschaftliche Alltag ist geprägt von Routinen: repetitiven, wiederkehrenden Handlungen. Sie zeigen sich in Praktiken, die durch Spezifika der Jahreszeiten, der Fruchtfolgen und Rhythmen der Viehhaltung vorgegeben sind. Dies mag Vorstellungen von Planbarkeit und Erwartbarem transportieren. Was aber, wenn diese Routinen gestört werden, durch klimatische Bedingungen, veränderte Marktlagen und Erwartungshaltungen? Flexibilität wird zum kulturellen Imperativ und das Kommende zu einer spekulativen und schwer antizipierbaren Größe.

Hof von Philipp Ruf

Philipp Ruf, 37, lebt mit seiner Frau und seinen drei jungen Kindern auf einem Bauernhof in Sankt Peter, seinem Heimatdorf im Schwarzwald. Über der Eingangstür des Hofs hängt das Wappen der Familie mit dem Aufbaudatum 1740 – ein Hinweis auf die vielen Generationen zuvor. Sein Vater hat ihn früh an die kommende Übernahme des Besitzes eingeführt, aber von der Milchindustrie hat Philipp sich Anfang der 2000er verabschiedet und nutzt den Stall nun als Stauraum für sein Auto und das Spielzeug seiner Kinder. 

Er ist im Gegensatz zu seinen Eltern kein hauptberuflicher Landwirt, sondern arbeitet vier Tage pro Woche als Maler und Stuckateur. Daneben kümmert er sich um die Pflege seiner 45 Hektar Wald und die Produktion von Wertholz (hauptsächlich für die Herstellung von Möbeln), Brennholz und Hackschnitzel.